Achensee 6. September 2015

 

Na also, geht doch! Nachdem ich zuletzt mehr als ein Jahr keine Umrundung zusammenbrachte, kam jetzt nach nur sechs Wochen schon der nächste See.

 

Seenumrundungen wollte ich ja möglichst im Rahmen von Wettkämpfen machen. Alle offiziellen Läufe erreichte ich aber nicht, da eine extra Anreise oft zu mühsam war. An den in der Laufszene bekannten Seelaufveranstaltungen wollte ich aber jedenfalls teilnehmen. Und so wie der Wolfgangseelauf sowas wie eine Initialzündung für meine systematischen Seenumrundungen war, hatte ich mir den Achenseelauf (fast) für das Ende des Projekts aufgehoben.

 

Der Achenseelauf findet immer am ersten Sonntag im September statt, was somit mit dem letzten Ferientag in Ostösterreich zusammenfällt. Das war in früheren Jahren eher problematisch, wurde aber mit Größerwerden der Kinder immer irrelevanter. Nun freute ich mich, dass uns Paula begleiten wollte. Bei der Anmeldung zum Lauf sah ich, dass es auch einen Staffellauf geben würde und so war schnell klar, dass Conny und Paula eine Staffel bildeten. Conny würde die ersten 14 flachen Kilometer laufen, Paula dann die 9,2 km über einen alpinen Steig. Um das zu üben war ich mit ihr die Woche vor dem Lauf noch am Bisamberg unterwegs, ein jedoch sehr unzureichendes Trainingsgebiet, wie sich noch zeigen sollte.

 

Wir wollten einen kleinen Urlaub machen und schon am Donnerstag nach Pertisau. Wir hatten eine Zugsanreise geplant. In den Tagen vor dem Lauf war zu befürchten, dass aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation möglicherweise der vorreservierte Zug nicht verkehren könnte. Aber bei all dem menschlichen Leid, war das Problem, dass ich vielleicht ein Zugsticket verfallen lassen muss, während andere um ihr Leben laufen, sicher das Geringste.

 

In Jenbach stiegen wir in den Bus und hatten eine angenehme Überraschung. Für Übernachtungsgäste sei die Busfahrt gratis, vermeldete der Fahrer, dass wir nächtigen wollten war unschwer an unserm Koffer zu erkennen. Als wir, zur Schlüsselabholung bereits zwei Stationen vor unserem genannten Appartement ausstiegen, drängte sich der Chauffeur noch extra aus dem mittlerweile vollbesetzten Bus, um uns auf den vermeintlichen Fehler aufmerksam zu machen.

 

Als Ausgleich zum langen Sitzen wollten wir uns noch ein bisschen bewegen. Wir liefen zur Falzthurnalm, als die Wolken immer dunkler wurden, drehten Conny und Paula um, ich lief noch ein Stück weiter, was zur Folge hatte, dass ich bei Gewitter und strömenden Regen meine Laufrunde beendete, aber damit zu den ersten schnelleren Laufschrittten seit Monaten kam. In der Nähe unserer Unterkunft hatte ich eine Kleinbrauerei entdeckt und so konnte ich noch eine Achensee-Bierflasche erjagen, ein Objekt der Begierde, das meine beiden Sammlerleidenschaften perfekt vereinte.

 

Trotz der mäßigen Wetteraussichten für das ganze Wochenende war es am Freitag relativ schön und wir nutzten dies, um das zweite Teilstück des Laufes zu erkunden. Wir fuhren mit dem Bus nach Achenkirch, und wanderten am schwerer zugänglichen Westufer nach Pertisau zurück. Der Anfang war ja noch ein netter Spaziergang am See, dann aber wurde es einspurig, es kamen steile Stiegen, ausgesetzte Stellen hoch über dem See, Felsen, Wurzeln, Bäche zum Über- und Wasserfälle zum Unterqueren. Ich will jetzt nicht memmenhaft wirken, der Weg war durchaus begehbar. Aber wie hier ein Rennen stattfinden sollte, das verharmlosend als „Österreichs schönster Panoramalauf“ bezeichnet wird, war mir unklar. Ob sich nicht da der eine oder andere arglose Flachländer plötzlich ratlos wo wiederfindet, wo er eigentlich nicht hin sollte? Einen Hinweis, dass der Lauf über einen alpiner Steig führt, fand ich nur sehr versteckt auf der Homepage des Veranstalters und (falls ich nichts übersehen hatte) als Warnschild auf der Gaisalm, als wir das ärgste Stück bereits hinter uns gebracht hatten.

 

Landschaftlich war es jedenfalls atemberaubend und wunderschön und ich freute mich, dass ich mir auch genügend Zeit zum Betrachten und Fotografieren nehmen konnte, beim Lauf sollte das dann sowieso nicht mehr gehen. Obwohl wir gefühlt nicht so langsam unterwegs waren, brauchten wir für dieses gute Drittel der Strecke zwei Stunden und waren einigermaßen müde. Mir war schleierhaft, wie hier ein Streckenrekord von 1 h 15 möglich sein soll.

 

Am nächsten Tag regnete es nun. Das passte aber eh gar nicht so schlecht, da wir den Beinen am Vortag des Rennens eine Pause gönnen wollten. So wurde der Tag weitestgehend mit Lesen verbracht. In einer Regenpause gingen wir zur Startnummernabholung, erstanden ein Achenseelauf-erinnerungsshirt und besuchten den Schauraum der nahen Tiroler Steinölwerke. Zum Abendessen gingen wir in die einzige Pizzeria im Ort, die ob des Rennwochenendes schon fast ausreserviert war.

 

Am Sonntag kam zum Regen auch noch Kälte und ich war froh, dass ich sicherheitshalber auch immer wärmere Laufkleidung mitnehme. Da wir schon vor dem Lauf das Appartement räumen mussten, wurden die Wettkampfvorbereitungen noch ein bisschen komplizierter. Unsere Zimmerwirtin organisierte aber den Gepäcktransport und eine Duschmöglichkeit im Wellnessbereich eines nahen Hotels.

 

Meinem nicht vorhandenen Training entsprechend stellte ich mich mit Conny am Start eher hinten auf. Paula verabschiedete sich Richtung Schiff, das sie zum Staffelübergabepunkt bringen sollte. Der Startböller fiel wegen des Regens aus, das Feld setzte sich durch Zuruf gutgelaunt in Bewegung. Zuerst ging es in einer Schleife hinunter zum See. Da ich für meine Liste ja nur die eigentliche Seenrunde rechne, musste ich dieses Stück wegstoppen. Genaugenommen wäre auch noch der Zieleinlauf auf der Wiese neben dem See wegzurechnen, das war mir dann aber doch zu blöd.

 

Es ging nun an der Seepromenade aus dem Ort hinaus. Weil ich doch zu weit hinten gestartet war, wich ich auf die begleitende Straße zum Überholen aus. Auf der Landstraße nach Maurach konnte man zwischen dem ufernäheren, dafür gatschigen Geh- und dem befestigten, dafür außenliegenden Radweg entscheiden. Kurz vor Maurach liefen wir beim Bahnhof der Achenseebahn über die Schienen und dann auf einem Wiesenweg seenahe am Ort vorbei. Nun lag der See in seiner ganzen Länge vor uns, dann ging es am Gegenufer Richtung Achenkirch weiter.

 

Nach der ersten Labestelle und einer kurzen Steigung bogen wir in die alte Achenseestraße ein. Im Prinzip ist der Achensee auch nicht besser zugänglich als der Toplitzsee. Aber hier wurde halt schon im 15. Jahrhundert aufgrund der regen Handelsbeziehungen ein Fahrweg in den Hang gegraben. Ab 1950 wurde die Straße neu trassiert zuletzt war aber auch die alten Seestraße durch Freizeithungrige derart überlastet, dass ein neues Verkehrskonzept erstellt werden musste. Ab 2013 ist die alte Achenseestraße nun autofrei und man hat den Luxus trotz schroffem Ufer gemütlich auf einer eigenen romantisch trassierten Straße unbehindert am Ufer entlang laufen und radeln zu können. Aber ich schweife ab.

 

Zuschauer waren hier naturgemäß wenige. Nur beim Campingplatz Schwarzenau (Labestelle), beim Badestrand Achenseehof und ein paar anderen Stellen, zu denen man leicht zufahren konnte, trotzten ein paar Unentwegte dem bereits leichter gewordenen Regen. Nun sah man am gegenüberliegenden Ufer den wie eine Girlande in die Felswand gehängten Gaisalmsteig, auf dem die ersten Läufer bereits munter dem Ziel entgegenhüpften. Meine Rennstrategie war da wesentlich defensiver. Ich wollte nur möglichst schonend die ersten 14 km hinter mich bringen, um dann auf dem alpinen Steig noch konzentriert zu sein.

 

Dann lief ich bei der Schiffanlegestelle Scholastika vorbei und erreichte Achenkirch. Bei der Brücke über die Seeache war die Staffelübergabe. Ich winkte Paula, die dick eingepackt auf Conny wartete. Nach ein paar hundert Metern kam die nächste Labe, dann begann der lustigere Teil. Ich dachte mir noch, dass der Verkehr eigentlich noch recht dicht sei und es daher durch unterschiedliche Tempovorlieben der Läufer bergauf und bergab sowie durch die frischeren Staffelläufer zu etlichen Überholvorgängen kommen würde. In der Realität war es aber dann anders. Kaum war es einspurig bildete sich eine lange Kolonne. Damit wäre ein Überholen, falls überhaupt möglich, nur ein Vordrängen und wurde als unhöflich gemeinschaftlich unterlassen. Somit lief ich auch nicht Gefahr zu überpacen und vielleicht doch irgendwo in den See zu stolpern. An mehreren Stellen waren Bergretter positioniert und auch ein Rettungsboot patrouillierte im See.

 

Das Laufen machte richtig Spaß, wettkampfmäßig war ich noch nie in so einem Gelände unterwegs gewesen. Die Kilometer vergingen durch die technische Herausforderung wie im Flug. Von der schönen Aussicht bekam ich aber nicht viel mit, ich sah zumeist nur die Wadeln des Vordermannes. Kurz vor der Gaisalm kam der einzige längere Anstieg, hier mussten wir uns jetzt sogar anstellen. Danach ging es gleich wieder steil hinunter zum See.

 

Bei der Gaisalm war wieder eine Labestelle. Ich machte über die Wiese einen waghalsigen Zwischensprint, überholte eine größere Gruppe und konnte dann etwas schneller laufen. Hier war es nun schon etwas lieblicher. Es ging mehr durch Wald und an ein paar Stellen über Schotterfelder. Auch der zweite Teil des Trails verging sehr schnell. Ca. 2 km vor dem Ziel wurde der Weg breiter und führte als Uferpromenade am See entlang. Hier gab es noch mal eine Labe und ich holte mir einen Schluck Energiedrink. Nun hatte ich keine Ausrede mehr langsam zu laufen und überholte noch ein paar Läufer. Kurz vor dem Zieleinlauf beim Fischergut öffnete ich meine Jacke, die die ganze Zeit die Startnummer versteckt hatte, um noch zu einem Finisherfoto zu kommen. Die Uhr zeigte irgendwas mit 2 h 20. Damit kam ich nach ca. 60% des Läuferfeldes ins Ziel. Das fand ich angesichts der Tatsache, dass ich eigentlich die meiste Zeit getrödelt hatte gar nicht so schlecht. Wollte man hier wirklich schnelle Zeiten laufen, so wäre es aber unbedingt notwendig, schon auf den ersten 14 km Gas zu geben, um sich dann viel weiter vorne in den Gänsemarsch einordnen zu können.

 

Im Ziel bekam ich meine Medaille und eine Alufolie. Ich krallte mir schnell ein paar Verpflegungssachen und machte mich zu unserem neuen Hotel auf, wo ich in den Wellnessbereich geführt wurde. Regenwalddusche statt Gemeinschaftsbad im Tenniscenter, das hat schon was. Danach wollte ich meine Damen im Ziel abholen, aber so viel schneller war ich nun auch wieder nicht, sie waren soeben im Hotel eingetroffen.

 

Nun hatten wir noch genug Zeit, um gemütlich im Hotelrestaurant zu essen. Danach spazierten wir noch einmal zu dem eben umrundeten See. Die Heimfahrt führte uns über Innsbruck, wo sich noch ein kleiner Rundgang ausging. Spätabends erreichten wir schließlich wieder Wien. Jetzt fehlte also nur noch der Neusiedlersee, der größte Österreichische See (genau, der See mit der größten Wasserfläche in Österreich) sollte ein würdiger Abschluss des Projekts werden. Dass mich die Seenumrundungen nun schon einige Zeit beschäftigten sieht man wohl am besten, wenn untenstehendes Foto mit jenem verglichen wird, auf dem wir am Wolfgangsee stolz unsere Medaillen präsentieren.

Achenseelauf