Grundlsee 4. Oktober 2013

 

Die jährliche Herbstfahrt nach St. Wolfgang stand an. Diesmal wollte ich nicht nur zum Abholen meiner Mutter kommen, sondern gleich ein paar Tage bleiben, man hat ja eh viel zu wenig Zeit miteinander. Und Seen gibt es auch noch ein paar in der Gegend.

 

So viele sind es ja gar nicht mehr. Jedenfalls der Grundlsee fehlte mir noch in der Sammlung. 1995, wir waren gerade junge Eltern, machten wir schon mal am Grundlsee Urlaub. Ein paar läuferische Erfahrungen hatte ich zu der Zeit bereits gesammelt und ich versuchte auch im Urlaub zu laufen. Auf der Straße am See traute ich mich damals nicht, da hätte mich ja jeder sehen und sich über mein Unvermögen lustig machen können. Also lief ich auf kleinen Wegerln abseits der Einsichtigkeit. Leider waren da überall Steigungen, bei einer etwas längeren stach ich mich nachhaltig ab und hatte von da an ein jahrelanges Trauma: „Berglaufen kann ich einfach nicht!“ Aber schon damals hatte ich die Idee um den See zu laufen, nur war das für mich eine fast unerreichbare Leistung.

 

2007 machten wir in einem nahezu schneefreien Winter Schiurlaub am Grundlsee (schneesichere Schigebiete in der Gegend: Tauplitz und Loser). Nachdem die ganze Familie außer mir kurzfristig an einem Darmvirus laborierte, nutze ich die schifreie Zeit für einen Lauf. Diesmal traute ich mir die Umrundung schon zu. Nur hatte kurz zuvor ein Sturm an der Südseite des Sees einen starken Windbruch verursacht. Als ich über die ersten Bäume kletterte, dachte ich mir noch, das wird schon irgendwie gehen, als ich dann aber kurze Zeit später zwischen den Baumstämmen wie in einem Riesenmikado stecken blieb, musste ich auch diesen Versuch aufgeben. Heuer sollte es aber klappen.

 

Die Wetteraussichten sagten zwar kaltes, aber schönes Wetter voraus. Ich fuhr am Freitag früh von Wien bei Sonne und 6 °C weg. Hinterm Semmering trübte es immer mehr ein, ab Bad Mitterndorf kam aber wieder die Sonne raus und die Vorfreude auf einen schönen Lauf stieg. Ich parkte kurz vor dem Ort Grundlsee, um mich nicht im Ortszentrum umziehen zu müssen und lief das kleine Stück zum See zu.

Grundlsee

 

Ich wollte zuerst den Teil an der Straße hinter mich bringen und begann am Nordufer. Zumeist gab es Geh- oder Radwege an dem dem See zugewandten rechten Fahrbahnrand, nur einmal musste ich die Straßenseite wechseln. Da die Grundlseestraße ohnedies eine Sackstraße ist, es schon eindeutig Nachsaison war und auch noch nicht Wochenende, war das Verkehrsaufkommen aber überschaubar. Der See lag spiegelblank in der Herbstsonne da, immer wieder blieb ich stehen, um ein paar Fotos zu machen.

Grundlsee

 

Kurz vor Gößl warf ich einmal einen Blick auf das Kartenapp am Handy, um mich zu überzeugen, ob ich auch den Weg durch eine Siedlung nehmen konnte. In Gößl waren einige Spaziergänger unterwegs, ich lief an einem Kreisverkehr vorbei, von dem die Straße zum Toplitzsee abzweigte. Kurz dahinter konnte ich die Kirche von Gößl sehen, die insofern etwas Besonderes ist, weil sie nicht der katholischen Kirche, sondern den ansässigen Bauern gehört. Schon im 18. Jahrhundert forderten sie mehrfach den Bau eines Gotteshauses, um sich den langen Weg nach Bad Aussee zu ersparen. Als dies immer wieder abgelehnt wurde, bauten sie sich kurzerhand die Kirche selber. Die Gößler dürften überhaupt ein eher eigenwilliges Völkchen sein. Hier gibt es auch noch seit dem Mittelalter einen Dorfrichter, der die Streitigkeiten unter den Dorfbewohnern schlichten soll. Heute hat er aber diesbezüglich kaum noch was zu tun. Ob die Besonderheiten dieses Ortes damit zusammenhängen, dass er am Ende einer Sackgasse liegt? Aber ich schweife ab.

 

Ich lief nun über einen Badeplatz weiter und hatte die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht. Weiter ging es durch den Ortsteil Wienern, der vermutlich nicht so heißt, weil der Grundlsee von so vielen Wienern geschätzt wird. Leise konnte ich das Surren der Materialseilbahn hören, die den dortigen Gipstagbau mit dem Rigips-Werk in Bad Aussee verbindet und so dem Naturschutzgebiet eine Unzahl an LKW-Fahrten erspart.

 

Am Ende der Straße warnte ein Schild, dass der nun folgende Weg nicht für Kinderwägen und Mountainbikes geeignet sei. Anfangs war er noch ein durchaus breiter Güterweg, dann ging er in einen schmalen Fußweg über und bekam zum Schluss einige wildere Steigungen über Stufen. Ich lief gut gelaunt weiter. Wenn man sich manchmal fragt, wozu man sich diese andauernde Lauferei eigentlich antut, dann zum Beispiel dafür, so fit zu sein, solche Seenumrundungen problemlos zum Vergnügen laufen zu können.

Grundlsee

 

Später kam ich an die Stelle, wo vor sechs Jahren ein Weiterkommen nach den Sturmschäden unmöglich war. Mittlerweile gab es hier breite, grob geschotterte Forststraßen. Ich erinnerte mich an meinen Istrienurlaub vor ein paar Wochen. Da lief ich gelegentlich am Morgen auf einem ebenso steinigen Untergrund einen Berg hinauf. Einmal überholte mich dabei ein Brite mit einem affenartigen Tempo, das ich nicht einmal flach laufen hätte können, mit den Worten: „It’s hard, hahaha!“ Und der Schotter spritzte förmlich links und rechts der Spur, die er zog, zur Seite. Die Lauftechnik, derer ich in den kurzen Momenten der Begegnung ansichtig wurde, versuchte ich nun auch anzuwenden.

 

Nach diesem Offroadstück kam ich wieder auf einer Straße durch den Ortsteil Archkogel. Rechts zweigte nochmals ein Weg ab, der mich an einem Badeplatz vorbei durch den Wald wieder zurück zum Ausgangspunkt brachte.

 

Von meiner Mutter, die mein Laufabenteuer nicht eingeplant hatte, wurde ich nun schon sehnsüchtig erwartet. Der Nachmittag wurde für eine Fahrt auf den Schafberg genützt. Der Schafberg ist eigentlich eine Pflichtstation für einen Seen‑süchtigen, kann man von der Spitze doch den Wolfgang-, den Fuschl-, den Mond-, den Irr- und den Attersee in ihrer vollen Pracht bewundern.

 

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