Vilsalpsee 5. Juli 2013

 

Die größte Lücke bei meinen Seenumrundungen hatte ich nunmehr in Tirol. Um diese zu schließen war mir schon länger der Zwei-Seen-Lauf im Tannheimer Tal aufgefallen. Dieser Lauf führte um den Vilsalp- und den Haldensee im Tiroler Außerfern. Als ich zu Beginn des Jahres wieder einmal auf der Homepage nachschaute, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass dieser Lauf gecancelt worden war. Das fand ich nun unheimlich schade, da es sich dabei doch um einen wunderschönen Landschaftslauf handeln sollte.

 

Bevor ich mich schön langsam damit anfreundete, mich um andere Möglichkeiten umzusehen, fand ich zufällig, dass nach einem Jahr Pause, wieder eine Alternativveranstaltung stattfinden sollte. Dieser Lauf führte nunmehr von Tannheim nur noch zum Vilsalpsee ohne ihn zu umrunden, wieder zurück und in einer zweiten Schleife um den Haldensee. Folgerichtig hieß diese Veranstaltung auch nicht mehr Zwei-Seen-Lauf sondern nur mehr Seen-Lauf. Bevor dieser Bewerb auch wieder das Zeitliche segnen sollte, entschied ich spontan, die Chance sofort zu nutzen, diesen See wettkampfmäßig zu umrunden. Der Vilsalpsee musste im Zuge dieses Kurzurlaubs auf eigene Faust umrundet werden.

 

Conny hatte im Juli Urlaubssperre, Paula machte erstmals eine Ferialpraxis, Felix hingegen hatte nach seinem Maturastress jede Menge Zeit, und auch ich hatte Urlaub abzubauen. Also machten wir nach unserer vorjährigen Fahrt zu den Plitvicer Seen wieder einmal einen Männerlauf und buchten eine Reise nach Tannheim. Ich entschied mich für eine Autoanreise, um vor Ort flexibel zu sein. Wir reisten am Freitag, einen Tag vor der Laufveranstaltung, an. Nach einem Stau in Deutschland und einem Zwischenstopp in Bad Tölz kamen wir kurz nach 3 Uhr in Tannheim an.

 

Wir bezogen unser Zimmer. Beim Durchblättern der Hotelprospekte musste ich erfahren, dass die Straße zum Vilsalpsee zwischen 10 und 17 Uhr für den Verkehr gesperrt ist. Ja, schlecht vorbereitet! Jetzt gab es die Möglichkeit mit einem Shuttlebus hinaufzukommen, dann hätte ich aber nach dem Lauf verschwitzt auf die Rückfahrt warten müssen. Oder ich hätte natürlich auch hinauflaufen können. Das wären dann aber insgesamt ca. 12 km gewesen und das wollte ich mir am Vortag des Seen-Laufes nicht antun. 

Vilsalpsee

 

Ich wartete also einfach ein bisschen und fuhr um 17 Uhr los. Am See angekommen schien gerade wieder ein bisschen die Sonne und ich nutzte das schöne Licht gleich für ein paar Fotos. In einem Schaukasten fand ich einen Aushang einer Initiative zur Erhaltung des Rundwanderweges. Offensichtlich war ein Teil des Weges durch Steinschlag gefährdet, als Sanierungsmaßnahme war der Bau einer breiten Fahrstraße geplant, die das Natura 2000 Gebiet massiv gefährden würde.

 

Ich lief trotzdem einmal weg und entschied mich, zuerst den Wanderweg am nordseitigen Ufer zu laufen. Wenn ich da durchkomme, käme ich am Güterweg am Südufer schon wieder zurück. Da die Runde um den See ja nur etwas mehr als 3,5 km lang ist, wollte ich etwas schneller laufen, aber ohne mich für den nächsten Tag zu ruinieren. Gleich zu Beginn war wieder eine Warntafel, ich nahm mir aber keine Zeit, sie zu lesen.

 

Der Weg war gut ausgebaut. Obwohl nur an ein paar Stellen Lacken waren, fiel mir auf, dass der Untergrund eigenartig schwammig weich war. Ein paar Wanderer waren unterwegs, einer rief mir zu: „Ah, trainierst schon für den Lauf morgen!“ Ich antwortete mit „ja“, obwohl das natürlich ein Blödsinn ist, wie sollte man am Vortag einer Laufveranstaltung dafür noch trainieren können.

 

Bald kam das hintere Ende des Sees in Sicht. Es folgte ein Brückerl über die Vils und eine Abzweigung zu den Almen im Talschluss. Ich lief den Rundwanderweg weiter und kam wieder zu einer Warntafel, diesmal auch mit einer Absperrung. Nach meinen Erfahrungen am Altausseer See, wo der Wanderweg offensichtlich nur aus versicherungstechnischen Gründen „gesperrt“ war, umging ich die Sperre und lief weiter. Als der Weg auf die Fahrstraße am Südufer einbog gab es wieder eine Sperre. Hier führte der Weg nun an der Felswand vorbei und dies war offensichtlich die gefährdete Stelle. Ich dachte mir, wenn einmal bei einem Unwetter ein paar Steine runter gekommen sind, dann wird ja nicht gerade die ein, zwei Minuten die ich durchbrauche, was passieren.

 

Nun lagen einige medizinballgroße Felsen herum, zum Glück war der Weg aber nicht so verschüttet, dass man nur noch hätte klettern können. Nach ein paar hundert Meter passierte ich die Gegensperre und hatte damit das gefährliche Stück hinter mich gebracht. Nach einem Wirtschaftsgebäude kam ich zu der nächsten Sperre. Hier zweigte ein Straßerl ab, ich überlegte kurz, ob ich diese Stelle damit vielleicht umlaufen könnte, ein Blick nach oben zeigte mir aber, dass der Weg nur in die Berge führte. Da hinter dieser Sperre auch Kühe grasten, erklärte ich mich mit den der Gefahr ausgesetzten Rindviechern solidarisch und lief auch hier durch.

 

Das Ende der kleinen Wiese war mit einem Weidezaun gesichert, über den Weg wurde er mit Plastikstäben mit einem saloontürartigen Klappmechanismus verlängert. Auch da stieg ich drüber. Im Weiterlaufen dachte ich mir, dass ich da jetzt nicht sehr mitgedacht hatte. Die Schleuse war offensichtlich dazu gedacht, um Autos das Durchfahren zu ermöglichen, die Kühe aber trotzdem abzuhalten. Die Stäbe mussten also auch unter Strom gestanden haben. Es gab zwar beim Drübersteigen eine kurze Berührung, gespürt hatte ich aber nichts. Offensichtlich hatte ich die Pause zwischen zwei Stromschlägen erwischt. Es gibt vermutlich Angenehmeres, als einen Elektroschock im Gemächt zu bekommen.

 

Man sah, dass hier vor einiger Zeit auch eine Menge Geröll zwischen den Bäumen runter gekommen war, der Weg war aber schon wieder freigeschaufelt. Als ich aus dem Wald rauskam, sah ich an der Gegensperre ein Fahrzeug, das mir sehr offiziell schien. Der Fahrer sprach gerade mit zwei Mountainbikern, die aus der Gegenrichtung am Tor angekommen waren. Jetzt, dachte ich mir, würde es für das Ignorieren der Verbote Schimpfer geben. Der Mann fragte mich aber nur, ob er mir öffnen solle und ließ mich durch.

 

Bald kamen wieder die beiden Wirtshäuser am Parkplatz in Sicht und nach etwas mehr als 18 min war die Runde beendet, so schnell war ich bisher noch nie um einen See. Während ich abdampfte schaute ich mir nochmals den Schaukasten an. Hier stand, dass es nähere Informationen zum Steinschlag in der Fischerhütte gäbe.

Vilsalpsee

 

Dort wurde mir erzählt, dass der erste Felssturz an der vorderen Stelle im November letzten Jahres stattfand und aufgrund der enormen Schottermenge apokalyptisch anmutete. Da es kaum finanzierbar erschien, eine sichere Fahrstraße zu bauen, gab es eben Pläne, an der anderen Seenseite eine Ausweichstraße zu bauen und das Südufer dauerhaft aufzugeben. Als Notmaßnahme wurde das Nordufer zumindest für Pickups befahrbar gemacht, daher war der Weg noch so schwammig weich. Durch den Felssturz an der hinteren Seite des Sees war die Situation jetzt aber noch schwieriger geworden. Schließlich unterschrieb ich noch die Initiative, wer sollte sich denn für Seenrundwege einsetzen, wenn nicht ich.

 

Am nächsten Tag wollte ich es nun doch genauer wissen und googelte etwas über die Situation am Vilsalpsee nach. Der zweite Felssturz war erst drei Tage her. Die Steinbrocken wurden lediglich als Vorboten betrachtet. Der Landesgeologe, der die Stelle abgeflogen war, zeigte sich tief beeindruckt. Er fand in der Felswand einen bis zu zwei Meter breiten und geschätzte 30 bis 40 m tiefen Riss. Wenn diese Flanke abreißt, könnte bis zu einem Drittel des Sees verschüttet werden. Hätte ich das alles gewusst, wäre ich wohl nicht gelaufen. Also bitte nicht nachmachen! Andererseits wäre es in diesem Fall vermutlich egal gewesen, an welcher Stelle des Sees ich mich gerade befunden hätte, die Flutwelle hätte mich auch am sicheren Ufer fortgespült.

 

Nun bin ich natürlich froh, die Runde erledigt zu haben, weil so schnell gibt es vermutlich keine Gelegenheit mehr dazu. Aber ein Felssturz würde das Problem auch so lösen, weil der geschrumpfte See dann zu klein wäre, um umrundet werden zu müssen. Aber ich schweife ab.

 

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