Toplitzsee 26. Juli 2015

 

Der Toplitzsee ist zwar einer der kleinsten Seen auf meiner Liste, trotzdem bereitete er mir schon geraume Zeit Kopfzerbrechen. Zur Begründung möchte ich Wikipedia zitieren: Ein Schifffahrtsunternehmen betreibt mit sogenannten Plätten eine Linienschifffahrt zum Kammersee, weil man den [Toplitz-]See aufgrund der Topografie zu Fuß nicht umrunden kann.

 

Da hatte ich nun ein Problem. Der See ist nur vom Grundlsee zugänglich, das restliche Ufer ist jedoch nicht begehbar. Ich spielte nun gedanklich verschiedene Möglichkeiten durch, um mein Ziel der Umrundung aller Seen einem Ende zuführen zu können:

  • Umrundung auf offiziellen Wegen - das hätte eine Überschreitung des Toten Gebirges über die Tauplitzalm nach Hinterstoder und wieder zurück über die Pühringerhütte bedeutet, insgesamt rd. 55 km im alpinen Gelände mit 3.300 hm, für mich an einem Tag kaum zu schaffen,
  • trotz Nichtbegehbarkeit des Ufers irgendwie einen Weg finden - das wären zwar sowohl am Nord- wie auch am Südufer jeweils weniger als 2 km gewesen, aber auch wenn das Meiste überwindbar wäre, gäbe es zumindest zwei Stellen, wo ich über eine Felswand durch einen Wasserfall klettern müsste, auch nicht eine so gute Idee,
  • einen kalten Winter abwarten und dann auf der Eisfläche am Ufer entlang laufen - das hätte zwar am meisten mit Laufen zu tun, trotzdem bliebe der Makel, dass ich dann nicht um den See, sondern nur am See gelaufen wäre,
  • auf Forststraßen sowohl am Nord- als auch am Südufer großzügig am See vorbeilaufen - dann hätte ich zwar genug Kilometer gemacht, um eine virtuelle Einkreisung des Sees vornehmen zu können, eine geschlossene Runde wäre es aber nicht gewesen.

 

Also suchte ich nach einer weiteren Möglichkeit. Auf Wanderkarten fand ich dann Ansätze von Wegen die die Runde geschlossen hätten, die wären aber in der Natur nicht markiert und vermutlich schwer zu finden. Nach meinem Soloaufstieg auf die Spitzelsteinalm am Traunsee wollte ich diesen Weg nicht allein suchen. Das Tote Gebirge heißt ja schließlich nicht umsonst so.

 

Irgendwann voriges Jahr schilderte ich dann in bierseliger Laune meinem Freund Michael das Problem und er, bergerfahren, meinte, so schlimm würde das nicht werden, das wäre schon zu schaffen. Ein Silberstreif am Horizont!

 

Nun hatten wir uns das Wochenende 25.-26. Juli für eine gemeinsame Umrundung vorgenommen. Eifrig studierten wir in der Woche davor die Wetterberichte und warteten mit einer endgültigen Entscheidung bis zuletzt zu. Dann kristallisierte sich zwar ein schircher Samstag, aber ein schöner Sonntag heraus und wir beschlossen, es doch zu wagen.

 

Wir reisten am Samstag an. Unterwegs regnete es dem Wetterbericht entsprechend immer wieder. Als wir dann aber von Bad Mitterndorf kommend in den Talkessel des Grundl- und Toplitzsees einfuhren, beunruhigte uns doch ein etwas apokalyptisch schwarz gefärbter Himmel. Und dann schüttete es, wie ich es selten gesehen hatte. Wir kamen nicht zum See, der See kam zu uns.

 

Wir bezogen unser Quartier im Gößler Ortsteil Wienern und hofften auf den nächsten Tag. Beim Aufwachen kitzelte mich ein Sonnenstrahl im Gesicht. Perfektes Bergwetter, wir konnten unser Vorhaben in Angriff nehmen. Jetzt muss ich einschränkend zugeben, dass die Umrundung aufgrund der Topografie ausrüstungstechnisch als Wanderung angelegt war. Dem Untertitel meiner Projektbeschreibung „in Laufschuhen um Österreichs Seen“ konnte ich somit nicht ganz gerecht werden. Aber wie sind schon „Laufschuhe“ definiert? Zumindest begannen wir unsere Wanderung mit ein paar Laufschritten, damit konnte ich zumindest unsere Umrundung als einen Lauf mit einer übergroßen Gehpause (die dann bis zum Ende reichen sollte) bezeichnen.

 

Den Beginn machte nun jenes Straßenstück, dass ich schon bei der Umrundung des Grundlsees zurückgelegt hatte. Nach ca. 10 min kamen wir zur Brücke über den Simitzbach, wir bogen in einen Wanderweg ein und begannen unsere Seenumrundung. Bald erreichten wir die Ranftlmühle, wo das Wasser aufgrund der Regenfälle des gestrigen Tages tosend über eine Felskante schoss.

 

Nach einem Kilometer Forststraße zweigte wieder ein Wanderweg ab, der nun ständig bergauf führte. Bald konnten wir das erste Mal den Toplitzsee zwischen den Bäumen weit unter uns erkennen. Das Rauschen der beiden Wasserfälle am Nordufer des Sees begleitete uns. Ich war nun richtig gut gelaunt und alle Zweifel an der Machbarkeit der Umrundung waren verflogen. Nach weiteren 2 km kamen wir wieder auf eine schön angelegte alte Forststraße und folgten ihr weitere 2 km. Wir hatten nun den Toplitzsee hinter uns gelassen, bis hierher könnte auch problemlos gelaufen werden.

 

Am Ende der Forststraße begann wieder ein Wanderweg, der schon deutlich verwachsener war, aber immerhin gab es noch Wegweiser zu unserem ersten Etappenziel, dem sogenannten 3-Seen-Blick, ein für mich nahezu identitätsstiftender Kraftplatz. Das letzte Stück war mit einer kleinen Seilsicherung befestigt. Am Aussichtspunkt waren schon drei Wanderer, die offensichtlich vor uns aufgebrochen waren, die einzigen, die wir auf unserer Runde sehen sollten. Ein wenig Verwunderung herrschte, als wir nach einer kurzen Fotopause nicht wieder zurück ins Tal zurückkehrten, sondern weiter ins Gebirge aufstiegen.

 

Ab hier wurde nun der Weg deutlich schlechter, aber bei genauem Hinschauen war noch sowas wie ein Ansatz einer Spur erkennbar. Die hier gezeigten Fotos sollen damit auch Weg-Suchbilder sein und einen Eindruck von der Beschaffenheit geben. Markierungen gab es keine. Michaels Navigationsgerät mit Austrian Map und mein Handyapp mit OpenStreetMap (aufgrund der zu erwartenden Funklöcher mit offline-Karte!), auf denen wir beide unabhängig voneinander die geplante Route einprogrammiert hatten, leisteten gute Hilfe. Ein kurzer Blick, ob wir uns noch auf der blauen Linie befanden, gab uns die nötige Sicherheit.

 

Wir durchstiegen nun den Kammertret. Kurz vor der Lackenhütte gab es zumindest laut OpenStreetMap eine Sommer- und eine (kürzere) Wintervariante. Naheliegender Weise war aber nur die Sommervariante zu finden. Die Lackenhütte (eigentlich eine alte und eine neue Hütte) ist eine Jagdhütte und nicht bewirtschaftet. Aber zumindest gibt es eine Quelle, die wir zum Nachtanken unserer Wasserreserven nutzten.

 

Wir stiegen nun weiter durch eine Rinne auf. Ca. 3 km nach dem 3-Seen-Blick hatten wir eine Abzweigung zu finden. Hier suchten wir das erste Mal gemeinsam nach dem richtigen Weg. Beim ersten Versuch landeten wir unverhofft an einem Felsabhang und es kamen erste Befürchtungen auf, ob wir nicht doch erfolglos zurückkehren mussten. Beim zweiten Versuch fanden wir dann den richtigen Einstieg durch die Latschen und die Reise konnte weiter gehen.


Laut Karte war die Route jetzt nur noch unterbrochen als Steig eingetragen. Ansatzweise konnte man aber immer noch Spuren sehen. Der Weg führte nun vermehrt über Felsplatten. Hatte man Schwierigkeiten, den nächsten Schritt zu setzen, war man vermutlich ein paar Meter vom Weg abgekommen und es empfahl sich, zum schnelleren Vorwärtskommen wieder die Spur zu suchen. Steinmänchen zeigten uns, dass wir offensichtlich nicht die ersten waren, die hier gingen. Der Begriff Steinmänchen erscheint ein wenig übertrieben, zumeist waren es nur ein, zwei auf die Felsen gelegte Steine.

 

Hier war nun mit rd. 1.650 m Seehöhe der höchste Punkt der Wanderung. Nach einem weiteren Kilometer kamen wir zur nächsten (unbewirtschafteten) Hütte, der Mitterkarhütte, idyllisch auf einer Hochalm gelegen. Wenn es die Rindviecher bis hierher geschafft haben, dann werden wir wohl auch noch den Rest unserer Runde finden. Nach einer kleinen Pause ging es weiter.

 

Nun kam eine zweite Stelle, an der wir leichte Orientierungsschwierigkeiten hatten. Der GPS-Track auf OpenStreetMap führte geradeaus weiter, dieser Weg war aber in der Realität nicht (mehr) zu finden. Nach Austrian Map sollte das Areal rechts umlaufen werden. Ein kleiner roter Pfeil auf einem Felsen bestätigte diese Theorie. Auch Spuren waren zu sehen und wir nahmen an, dass sie nicht von den Kühen stammten. Die (verfallene) Ochsenkarhütte bekamen wir so nicht zu sehen.

 

Bald öffnete sich wieder der Blick. Vor uns lag nun eine Windbruchfläche, auf der nur die zäheren Lärchen übrig geblieben waren. Im Hintergrund war schon wieder der Grundlsee zu sehen. An einer Stelle konnten wir uns noch mit Erd- und Heidelbeeren laben, dann trafen wir Bei den Liagern wieder auf eine Forststraße. Die Zivilisation hatte uns wieder! Ab hier hätte ich wieder schön laufen können – aber wozu diese Eile an einem so schönen Tag?

 

Jetzt ging es rd. 6 km auf Forststraßen und Wirtschaftswegen weiter, die allerdings schon lange Bestand haben dürften und landschaftlich schön angelegt waren. Abschneider, die auf der Karte eingezeichnet waren, waren entweder nicht mehr zu entdecken oder fielen uns nicht auf. Den direkten Abstieg zum Toplitzsee über den Prinzensteig, der uns ein Stück am Seeufer entlang geführt hätte, ließen wir auch aus. Dieser wurde als kaum begehbar beschrieben und sollte höchstens bei trockenen Bedingungen versucht werden. Nach den gestrigen Regenfällen wäre die notwendige Kreuzung des Vordernbachs keine gute Idee gewesen. Aber auch auf der Forststraße konnte man an ein paar Stellen wieder einen Blick auf den Toplitzsee unter uns erhaschen.

 

Nun kamen wir zum Aussichtspunkt Lustiges Eck. Was hier so lustig sein sollte erschloss sich mir nicht ganz. Vielleicht, weil man an dieser Stelle der Toplitzseeumrundung wieder nur den Grundlsee in voller Pracht bewundern konnte. Nachdem wir den Abhang der Gößler Wand passiert hatten folgte der Abstieg über einen gut markierten Wanderweg nach Gößl.

 

Nachdem wir nun nach 20 km Wanderung noch kein einziges Mal am Ufer des Toplitzsees waren beschlossen wir, noch einen Umweg zur Fischerhütte zu machen. Damit kamen wir nun endlich zum sagenumwobenen Toplitzsee. Diesen Beinamen hat er vor allem, weil in ihm Legionen von Schatzsuchern unendliche Goldmengen der Nazis vermuteten und bei der Suche teilweise ihr Leben lassen mussten. Die Goldreserven lagerten aber wohl eher im Hintersee. Im Toplitzsee hingegen wurden im Dritten Reich Versuchsanlagen für Raketen gebaut, die später bis nach New York fliegen sollten, aber letztlich nur bis ins Tote Gebirge kamen. Aber ich schweife ab. Entlang des Toplitzbaches ging es wieder zurück nach Gößl. Nach acht Stunden hatten wir eine ca. 22 km lange Runde um den See geschlossen. Der Toplitzsee ist doch zu Fuß umrundbar! Den letzten Kilometer mussten wir noch zurück zum Hotel und ich vergaß nicht, die letzten Schritte wieder zu laufen, um die überlange Gehpause bei diesem "Seenlauf" zu beenden.