Atemlos durch die Stadt

Marathon Düsseldorf 27. April 2014

 

Im Startsackerl des Frankfurt Marathons fand sich ein Gewinnspiel für den Marathon Düsseldorf, an dem ich natürlich teilnahm und tatsächlich kurz danach einen Gutscheincode zugeschickt bekam. Jetzt wusste ich ein halbes Jahr im Voraus, wo mein nächstes Rennen sein sollte und hatte keine Ausrede, nicht zu trainieren. Angemeldet hatte ich mich trotzdem erst kurz vor dem Lauf, um den Gewinn durch die Preisstaffelung umso wertvoller zu machen.

 

Nach einigen leichten Verkühlungen im Winter blieben dann knapp zwei Monate für ein einigermaßen sinnvolles Training, zumindest mehr als vor Frankfurt. Der letzte Longjog führte mich in die Berge rund um den Almsee, danach hatte ich einen Muskelkater wie schon lange nicht mehr und alle Beine voll zu tun, um in der Taperingphase wieder fit zu werden.

Gehry-Bauten

 

Geplant war wieder, den Marathonlauf mit einem Kurzurlaub zu verbinden. Conny und ich reisten am Freitag früh an. Düsseldorf wirkte auf uns sehr heimelig und ordentlich. Da das Wetter sonnig war, nutzen wir es für eine Besichtigungstour und zur ausgiebigen Altbierverkostung, Düsseldorf ist ja die Altbierhochburg. Alt passte natürlich auch insofern, da ich erstmals in einer neuen Altersklasse starten durfte, obwohl ja der Geburtstag noch gaaanz weit vor mir lag.

 

Am Nachmittag wurden die Startunterlagen abgeholt. Alles war viel kleiner als in Frankfurt und wir waren schnell wieder fertig. Am Samstag wurde vor allem die Königsalle besucht, die Einkaufsstraße von Düsseldorf, hier sah man, wo das Geld zu Hause ist. Ich steuerte wieder in jedem Geschäft eine Sitzmöglichkeit an, um mich für den nächsten Tag zu schonen. Inzwischen war das Wetter trüb geworden, ich hatte aber immer noch das Bild vor Augen, den Marathon bei blauem Himmel und Sonnenschein zu laufen. Regen hatte ich ja in Frankfurt genug.

 

Am Sonntag wachten wir bei strömendem Regen auf. Auch beim Frühstück, das läuferfreundlich schon ab halb 7 Uhr angeboten wurde, wurde es nicht besser und so mussten wir uns mit Regenschutz auf zum Start machen. Naja, einem geschenkten Gaul, ... Durch die persönliche Betreuung war es möglich, knapp zum Start zu kommen, ich konnte die wärmende Überbekleidung bis kurz vor dem Eintritt in den Startblock anlassen und musste mich nicht um die Kleiderabgabe kümmern. Danke dafür an dieser Stelle.

 

Die Startblockeinteilung funktionierte ganz gut und ich konnte gleich unbehindert laufen. Den Marathon Düsseldorf gibt es seit 2003 und ist mit knapp 3.000 Finishern der sechstgrößte deutsche Marathon. Die Strecke führt in vier unterschiedlichen Runden durch die einzelnen Stadtteile, nach jeweils ca. 10 km kommt man wieder ins Zentrum zurück, was für Begleiter sehr angenehm ist, weil sie die einzelnen Betreuungsstationen ohne viel Aufwand erreichen können.

 

Im Gegenverkehrsbereich der nördlichen Schleife kamen mir die eine Viertelstunde früher gestarteten Handbiker entgegen. Bei den ebenfalls zu dieser Startzeit wegfahrenden Einradfahrern dachte ich mir, dass ich auf die vielleicht auflaufen würde. Aber nun kamen mir auch Renneinräder mit Triathlonlenker entgegen und ich musste erkenne, dass das mit Zirkuskunststücken überhaupt nichts zu tun hatte. Ein Wahnsinn.

 

Bei der Messe Düsseldorf wurde umgedreht und es ging wieder zurück ins Zentrum. Ein Stück war hier Kopfsteinplaster, hier lag auch eine Zeitnehmungsmatte für km 5, allerdings nicht über die gesamte Straßenbreite. Ein Läufer neben mir wollte im letzten Moment noch einen Haken schlagen, um über die Matte zu kommen und stürzte dabei auf dem rutschigen Untergrund. Kurze Zeit später sah ich am Straßenrand Luftballons liegen, die mit 3:15 beschriftet waren. Ich dachte mir schon, dass ein eventuell daran festgeknoteter Pacer es nun schwieriger haben könnte, seiner Aufgabe nachzukommen als ich ihn auch schon zum Start zurückhatschen sah.

Düsseldorf Marathon 2014

 

Nun begann die zweite Schlaufe. Sie führte über die Oberkasseler Brücke in den gleichnamigen Stadtteil links des Rheins, eine sehr noble Gegend, das Hietzing von Düsseldorf sozusagen. Obwohl der Marathon Düsseldorf als flacher Stadtmarathon beschrieben ist, fand ich die langgezogenen Rampen wesentlich unangenehmer zu laufen, als die Brückenköpfe auf der Schüttelstraße oder das Wiental beim Vienna City Marathon. Mit ein bisschen Temporausnahme war es aber kein Problem. Nun kam mir die Führungsgruppe entgegen. Auf einem Balkon wurden in voller Lautstärke Schlager gespielt: „Atemlos durch die Nacht ...“ Nun ist es ja so, dass es mir normalerweise bei Helene Fischer die Zehennägel aufrollt. Wenn man aber zuvor im Startbereich öffentlich in einen Park uriniert hat, mit einem Plastiksack bekleidet herumsteht und sich mitten auf der Straße aus kleinen Tüten klebrigen Brei in den Mund drückt, sollte man auch hier etwas toleranter sein.

 

Danach ging es eine Zeitlang am Rheinufer entlang, mit schönen Blicken auf die Altstadt. Hier hätte man das Laufen durchaus genießen können, der immer noch starke Regen trübte die Freude aber doch etwas. Anfeuerungsschilder wie „Keine Gnade für die Wade“ oder „Laktat macht doof aber sexy“ erzeugten zumindest ein paar Schmunzler. Über die Brücke ging es wieder zurück. Auf einem Schild las ich „Links ist kürzer“, sinnvollerweise vor einer langgezogenen Rechtskurve.

 

Nun ging es das erste Mal zur Königsalle. In der Straßenmitte der „Kö“ ist ein breiter Wassergraben, der von der nördlichen Düssel gespeist ist. Wir liefen zuerst an dem einen Ufer, dann über eine kleine Brücke, am anderen Ufer zurück und weiter auf die dritte Schleife in die westlichen Bezirke. Hier war der erste Treffpunkt mit Conny vereinbart, die Winkmöglichkeit nach der ersten Runde hatte ich ihr aufgrund des Regens erlassen. Conny hatte die Pause genützt, um mir im Hotel heißen Tee zu kochen. Auch wenn ich mir keine Zeit nahm zu trinken, so hat mich ihre Fürsorge zumindest seelisch erwärmt. Meine Oberschenkel spürte ich schon ein bisschen, ich war mir aber nicht sicher ob das schon die übliche Marathonerschöpfung sei, oder noch die Nachwirkungen vom Almsee.

 

Kurz danach kam die Halbmarathonmarke. Meine Rennstrategie war, so wie immer eigentlich, bis ca. km 30 einigermaßen locker zu laufen und dann, wenn nichts mehr geht, versuchen, sich mit Anstand ins Ziel zu retten. Als ich jetzt auf die Uhr sah war ich überrascht, dass ich so schnell war, wie bei meinem bisher schnellsten Marathon in Linz. Nun war ich vor allem darauf konzentriert, bei den Verpflegungsstationen genügend Kohlehydrate zu bekommen. Irgendwo wollte ich mir eine Banane krallen, das im Regen aufgeweichte Stück entglitt mir aber gleich. Bei km 27 gab es auch Gel. Nachdem sich Gelzuzeln und Wasser nachtrinken beim Vorbeilaufen an einer Station nicht ausgeht, hatte ich mir ein Gel eingesteckt. Das nahm ich dann schon entsprechend vorher, um bei der Verpflegungsstelle nur noch Wasser zu nehmen und ein Gel für die nächste Labe einzustecken. Mit den kalten Händen schaffte ich es nicht mehr, den Beutel aufzureißen, aufbeißen ging aber.

 

An der Strecke war es hier etwas ruhiger, man kann es aber den Düsseldorfern nicht krumm nehmen, dass sie sich nicht im Regen auf die Straße stellen. An einem Hotspot war wieder einiges los. Ich hörte ein zweites Mal „Atemlos durch die Nacht ...“ und diesmal wippte ich schon mit. Sonst bekam ich nicht mehr viel von der Strecke mit, ich war zu sehr damit beschäftigt die Ideallinie zu finden und trotzdem möglichst den Lacken auszuweichen. Bei km 32 wiederholte sich das Gel-Spiel. Bei km 34 stand wieder Conny. Sie bot mir Gels an, falls das bei den Versorgungsstationen nicht geklappt haben sollte, die ich aber ablehnen konnte.

 

Nun geschah das Unerwartete. War es sonst immer schwierig das Tempo zu halten, dachte ich mir jetzt, eh nur noch 8 km, da kannst du ja auch ein bisschen angasen. Und plötzlich lief ich nicht mehr wie in einem Marathon, sondern eher wie in einem 10er Wettkampf. Ich wurde immer schneller und überholte ständig Leute. Dass ich wusste, dass ich eine neue personal best laufen konnte, beflügelte mich weiter. Ein völlig neues Marathongefühl!

 

Auf der letzten Schleife zum Medienhafen war ich nur noch darauf bedacht, in den Kurven den Rhythmus nicht zu verlieren und zu verkrampfen. Irgendwo spielten sie ein drittes Mal „Atemlos durch die Nacht ...“. Oder sollte es jetzt besser heißen „Atemlos durch die Stadt“? Jedenfalls beschloss ich das als Titel für den Bericht zu machen. Eine Gel-Station kam noch. Die berühmten Gehry-Bauten nahm ich auch noch wahr. Dann lief ich, an unserem Hotel vorbei, ein zweites Mal zur Königasalle. Hier war wieder Stimmung, es hatte nun doch noch zu regnen aufgehört. Ich hatte das Gefühl, die Leute feuerten extra mich an, weil ich noch so dynamisch wirkte. Conny war auch da, sie hatte es inzwischen aufgegeben mir etwas anzubieten, weil ich noch so gut aussah, und konnte sich auf das Jubeln beschränken.

 

Das Ziel lag wieder am Rheinufer. Beim Einlauf auf die Promenade fiel mir ein Plakat des Sponsors Flughafen Düsseldorf auf: „Nur noch 6.040 km bis New York City.“ Wieso wissen die, dass ich beim NYC-Marathon auch noch mitlaufen will? Nun ging es eine Rampe hinunter zum Ufer, die jetzt noch Vollgas zu laufen war schon einigermaßen kritisch. Bis zum Zielbogen wollte ich die letzten Sekunden auch noch aus mir rausquetschen. Gab es zuvor vielleicht noch anerkennenden Applaus, hat mein besessenes Laufen jetzt vermutlich eher Grund zur Erheiterung gegeben.

Düsseldorf Marathon 2014

 

Mit 3:35:26 lief ich ein, fast 2 min schneller als in Linz und der war ja bekanntlich zu kurz. Dass ich irgendwo noch mal personal best laufen würde, hatte ich mir nicht gedacht. Die letzten 2 km war ich in 4:46 gelaufen, also 20 s schneller als die Durchschnittspace. Nun begann die Tortur bis in den Verpflegungsbereich zu kommen, der am Burgplatz lag, ca. 600 m vom Ziel entfernt. Dass ich mir extra ein zielnahes Hotel gesucht hatte, wurde so wieder unnötig. Kam ich mir zuvor noch vor, als ob ich geflogen wäre humpelte ich jetzt schmerzverzerrt herum. Irgendwann fand mich Conny und steckte mir einen Becher Tee durch den Absperrzaun zu.

 

Nachdem ich endlich trockengelegt war und zwei Erdinger alkoholfrei getrunken hatte (irgedwer sagte: „Darum machen wir ja das Ganze, wegen dem Erdinger und der Medaille.“) ging es endlich ins Hotel und in die heiße Badewanne. Am Abend war ich schon wieder fit genug, um die restlichen Altbierbrauhäuser abzuklappern. Nicht nur zum Bier, sondern auch zu mir als Marathonläufer passt nun: Alt aber gut!

Alt aber gut!

 

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