Fünfhauser Brauhaus

Jänner 2016

 

Nachdem wir bei der letzten Brauerei schon sehr weit in der Vergangenheit waren, wollen wir nun wieder einmal eine Braustätte besuchen, bei der es noch einen Gegenwartsbezug geben könnte. Das Fünfhauser Brauhaus bestand immerhin bis 1873 und die ersten Recherchen ließen vermuten, dass es tatsächlich noch etwas zu sehen gäbe. Nunmehr muss ich aber mit Bedauern feststellen, dass auch hier fast alle Spuren, teilweise erst in den letzten Jahren, verwischt wurden. Mir bleibt somit nur, die Geschichte anhand von Straßenschildern zu erzählen.

 

Karmeliterhofgasse

Am Gelände der späteren Brauerei befand sich um 1700 eine Meiere mit Ziegelei eines gewissen Johann Adam von Nentwich, die später auf seinen Sohn Wilhelm Franz von Nentwich überging (Nentwichhof). Die Meierei wurde 1734 vom Karmeliterklosters Sankt Theobald übernommen (Karmeliterhof), womit wir einen Konnex zu unserer letzten Brauereibesichtigung haben, auch wenn man vermutlich zu dieser Zeit in Sankt Theobald nicht mehr braute.

 

Oesterleingasse

Als das Kloster 1783 unter Joseph II. aufgelassen wurde kaufte der Industrielle Nikolaus Christoph Oesterlein (der Ältere) das Areal. Im westlichen Teil (Oesterleingasse 3) errichtete er eine Gewehrfabrik. Im östlichen Teil (Gasgasse 6) gründete er um 1786, aus meiner Sicht wesentlich sinnvoller, das Fünfhauser Brauhaus mit Bierausschank. Nach seinem Tod 1809 leitete seine Witwe Helene Oesterlein die Brauerei über 10 Jahre lang weiter.

Zwölfergasse

Ca. 1825 ging die Brauerei auf Heinrich Zwölfer über. Dieser erweiterte das Brauhaus entlang der Zwölfergasse bis zur Lichtgasse und machte aus dem Bierausschank ein Gasthaus.

Perspektivkarte Österreich unter der Enns 1830 (Ausschnitt)
Perspektivkarte Österreich unter der Enns 1830 (Ausschnitt), Quelle: WStLA, Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0
Denglergasse

Nach dem Tod Zwölfers 1836 erwarb Anton Bosch das Fünfhauser Brauhaus. Bosch war damals schon Besitzer der Jedleseer Brauerei, von ihm werden wir also später noch hören. Er erneuerte das Brauhaus von Grund auf und übergab es seiner Tochter Katherina, die er mit Johann Dengler, dem Neffen des Brauereibesitzers Franz Dengler aus Hütteldorf, vermählte. Auch von ihm werden wir noch hören.

1839 wurde der Baumeister Anton Mittendorfer beauftragt, neben der Brauerei (Gasgasse 8-10) die „Erste Wiener Bierhalle“ mit Gastgarten zu errichten. Das Revolutionsjahr 1848 setzt der Brauerei arg zu. Aber auch so dürfte das Ehepaar Dengler eher glücklos gewirtschaftet haben.

1853 stirbt Katherina Dengler 36-jährig. Um den Weiterbestand des wirtschaftlich angeschlagenen Betriebes zu sichern, übernahm Anton Bosch die Brauerei wieder und verpachtete sie seinem Schwiegersohn. Trotzdem musste Johann Dengler 1861 Konkurs anmelden. Am 1. Oktober 1862 kauften Jakob Christian Schik und sein Sohn August sowie die Brüder Josef und Max Mauthner (nicht mit den Sankt Marxer Brauherren verwandt) die Fünfhauser Brauerei. Am 10. Mai 1869 wurde die „Fünfhauser Brauerei Actien–Gesellschaft“ gegründet, aber schon bald danach wurde der Betrieb 1873 geschlossen.

 

Viktoriagasse

Die Bierhalle wurde 1862 von Franz Zobel erworben. Er baute sie zu den Viktoriasälen um, die im Volksmund „Zobeläum“ genannt wurden. Der Gastgarten fasste nun 3.000 Personen und war der größte Wiens. Hier wurden viele Bälle veranstaltet (zB. der Fiakerball, der im berühmten Fiakerlied verewigt wurde), es gab Konzerte (zB. von Johann Strauß Sohn) und es traten Volkssänger auf. Das Zobeläum war auch Veranstaltungsort der Arbeiterbewegung, das heute noch bei den Maifeiern gesungene „Lied der Arbeit“ wurde hier das erste Mal aufgeführt. Trotz des Erfolgs endete der Betrieb des Zobeläums schon 1882. Das Areal wurde neu verbaut, an Stelle der Bierhalle steht heute das Bezirksamt des 15. Bezirks.

Orientirungs-Schema der Gemeinde Fünfhaus 1868 (Ausschnitt)
Orientirungs-Schema der Gemeinde Fünfhaus 1868 (Ausschnitt), Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at

 

Das Brauereigebäude wurde anfänglich für andere Betriebe weiter verwendet, unter anderem als Bierdepot für die Brauerei Rauhenstein in Baden, verfiel aber immer mehr. 1893 wurde ein Teil abgerissen, die Gebäude an der Straßenfront Gasgasse 6 bestand aber zumindest noch bis 1957. Die Nebengebäude in der Gasgasse 11-15 blieben noch längere Zeit erhalten und wurden zuletzt von einem Autohändler genutzt. Erst 2009 mussten sie einer neuen Wohnhausanlage weichen, womit die letzten Baureste des Fünfhauser Brauhauses verschwunden sind.

Fünfhauser Brauhaus 19.5.1957
Fünfhauser Brauhaus 19.5.1957, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB
Zwölfergasse 13, 1999
Zwölfergasse 13, 1999, Quelle: Stadt Wien, MA 19
Fünfhauser Brauhaus 19.5.1957
Fünfhauser Brauhaus 19.5.1957, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB
Zwölfergasse 15, 1999
Zwölfergasse 15, 1999, Quelle: Stadt Wien, MA 19

 

Da es nun nicht mehr viel zu sehen gibt, ist das Besichtigungsprogramm auch schnell erledigt. Ausgangspunkt ist der Hinterausgang der U3-Station Westbahnhof in der Gerstnerstraße. Nach Überqueren einer bescheidenen Grünfläche kommen wir in die Gasgasse, die an das früher hier rechter Hand bestehende Gaswerk erinnert. Das Fünfhauser Gaswerk wurde noch zu Bestandszeiten der Brauerei 1842 gegründet, weitere Erinnerungen daran finden sich in den Straßennamen der links abzweigenden Kohlenhofgasse und der Lichtgasse.

 

An der Kreuzung mit der Zwölfergasse stehen wir nun am Ort des früheren Brauhauses. Von der Brauerei ist nichts mehr zu sehen, das Gelände wurde mittlerweile mehrfach neu verbaut. Allerdings hat das heute an diesem Platz stehende ehemalige Postgebäude durchaus Ähnlichkeit mit dem Brauhaus. Wir gehen nun die Zwölfergasse nach rechts, um die Brauerei zu umrunden. Auch die Zwölfergasse war eine jener Gassen die früher Bräuhausgasse hießen. Bei den Hausnummern 11 und 13 sehen wir jenen Neubau, der erst vor kurzem die lange erhalten gebliebenen Nebengebäude der Brauerei ersetzte.

 

Wir biegen nun links in die Lichtgasse und gleich nochmals links in die Staglgasse ein, die sinnigerweise neben der dort befindlichen Volksschule verläuft. Die Staglgasse hieß früher Braugasse, und hatte somit auch einen Namensbezug zur Brauerei. Der Friedrichsplatz, auf den wir nun treffen ist der Vorplatz der Volksschule, wenn man so will, erinnern die hier stehenden Bäume an den einst riesigen Gastgartens des Zobeläums. Vis-a-vis sehen wir das Bezirksamt für den 15. Bezirk, den unmittelbaren Nachfolgebau der Bierhalle, den wir nun auch umrunden wollen. An der südwestlichen Seite des Bezirksamts in der Rosinagasse befindet sich der Eingang in das Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus, wo ich wertvolle Informationen zur Brauerei bekam.

Jetzt können wir noch die anderen Straßen, deren Namen Bezug zur Brauerei haben, abgehen. Am südwestlichen Ende des Friedrichsplatzes kommen wir in die Viktoriagasse. Durch deren beinahe gerade Verlängerung erreichen wir die Denglergasse, in die wir links einbiegen. In der Mariahilfer Straße wenden wir uns wieder Richtung Ausgangspunkt. Wir passieren die Oesterleingasse und die Karmeliterhofgasse.


An der Adresse Mariahilfer Straße 156-160 treffen wir auf das Hotel „Tourotel“, das eine lange Geschichte hat. 1853 kam es in den Besitz eines gewissen Joseph Holzwarth, der in jungen Jahren angeblich auch im Fünfhauser Brauhaus beschäftigt war, womit sich der Kreis wieder schließen würde. Baureste des eingangs erwähnten Karmeliterhofs sollen im heutigen Gebäude noch erhalten sein, ich bezweifle aber, dass man davon, auch wenn man sich in das Innere begibt, noch etwas erkennen kann.

An der Ecke Mariahilfer Straße/Rosinagasse treffen wir auf unser Ziel des heutigen Abends, dem Bierlokal Mariahilferbräu. Das Lokal selbst ist viel zu jung, um irgendeinen Zusammenhang mit dem Fünfhauser Brauhaus zu haben, trotzdem können wir hier in unmittelbarer Nähe gepflegte Bierkultur genießen.

Nachschau Oktober 2019

 

Seit unserem Besuch 2016 hat sich in der Brauereiforschung einiges getan. 1839 wurde nicht, wie ursprünglich angenommen, Anton Wittendorfer Braumeister in Fünfhaus, sondern er hieß Anton Mittendorfer und er war auch nicht Braumeister sondern nur Baumeister der Bierhalle. Außerdem war Josef Holzwarth nicht Betriebsführer der Bierhalle, sondern, wenn überhaupt, nur kurzfristig in seiner Jugend in dieser beschäftigt. Dies wurde mittlerweile in Wien Geschichte Wiki, aber auch in obiger Spurensuche korrigiert. Das nur so nebenbei.

Ich bin eigentlich der Meinung, dass alle von mir beschriebenen ehemaligen Brauereien wieder aufgebaut und neu eröffnet werden sollten. Ein winzig kleiner Ansatz dazu ist nun in Fünfhaus geschehen.

Die Keimzelle des Fünfhauser Brauhauses, der Karmeliterhof bzw. das später dort errichtete Hotel, dessen damaliger Eigentümer möglicherweise eine Verbindung zur Brauerei hatte, wurde unlängst aufwendig renoviert und als Brauhof Wien wiedereröffnet. Grund genug vorbeizuschauen, um auf historischem Boden ein Bier zu trinken.

Bereits 1828 wird ein auf dem Areal des oben erwähnten Karmeliterhofs befindliche „Anton Brunner‘sche Gasthaus Zum Carmeliterhof" erwähnt. Nach dem Tod Anton Brunners 1836 führte sein (vermutlicher) Neffe Joseph Holzwarth den Betrieb weiter. 1853 kam es durch Erbschaft in seinen Besitz und er baute es zum prächtigen „Hotel Holzwarth“ um.

Nachdem Joseph Holzwarth 1892 gestorben war, übernahm sein Neffe Hermann Holzwarth das Hotel. Später verpachtete er bzw. ab 1916 seine Erben den Betrieb. 1938 übernahm die Stieglbrauerei Hotel und Restaurant und richtete dort ein Bierdepot ein. 1994 kaufte die Wienerwald Restaurantkette den Betrieb. Das Hotel ging 2001, das Restaurant 2009 wie oben beschrieben auf die Tourotel GmbH über.

Ende Mai 2019 eröffnete nun der Gastronom Markus Schilling, der schon in der Burggasse ein nach ihm benanntes Lokal betreibt, das Hotel als Brauhof Wien neu. Die Einrichtung des Hotels lässt die Herzen alle Bierfreunde höher schlagen, finden sich doch in den Zimmern jede Menge alte Ansichten von Brauereien.

Im Erdgeschoss richtete die Brau Union im September 2019 die Kaltenhauser Botschaft Fünfhaus als Wirtshausbrauerei ein, womit im 15. Bezirk endlich wieder gebraut wird. Trotz der modernen Einrichtung findet sich auch einiges Historisches im Lokal, wie alte Inschriften noch aus der Zeit des Hotels Holzwarth oder ein Stahlträger aus Zipf (leider aus einem Dampfkraftwerk und nicht aus der Brauerei). Auch der Gastgarten im Innenhof wird an heißen Sommertagen sicher sehr einladend sein.


Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Fünfhauser_Brauhaus

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Nentwichhof

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Karmeliterhof_(15)

http://brautopo.webnode.at/wien/

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lederergasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Perspektivkarte_Österreich_unter_der_Enns_(1830)

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=hum&datum=18391012&seite=3&query=dengler

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=gbh&datum=18861215&seite=3&query=dengler

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18490403&seite=10&query=dengler

https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ255535306

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18610917&seite=22&query=dengler

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18720825 &seite=15&query=%22schik%22

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=kon&datum=18660422&seite=5&query=%22Josef+Mauthner%22+%22Max+Mauthner%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=geh&datum=18691202 &seite=4&query=%22brauerei%22

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20100413_OTS0030/bezirksmuseum-15-archivschatz-und-hotel-geschichte

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/420971

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zobels_Bierhalle

http://www.volksmusik.cc/lieder/flugblaetter/fiakerlied1.jpg

https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18751114&seite=13&query=%22rauhenstein%2Bf%C3%BCnfhaus%22~20

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18931019 &seite=6&query=%22brauhaus%22&provider=P02

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18931021 &seite=7&query=%22brauhaus%22&provider=P02

https://www.john.at/

https://presse.wien.gv.at/presse/2010/01/08/vorstellung-des-innovativen-wohnprojekts-sicher-wohnen

http://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=1916533

http://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=1916532

https://www.wien.gv.at/kulturportal/m19objekte/bez15/14728801.jpg

https://www.wien.gv.at/kulturportal/m19objekte/bez15/10444701.jpg

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hotel_Holzwarth

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Joseph_Holzwarth

https://de.wikipedia.org/wiki/Tourotel_Mariahilf

https://www.craftbierfest.at/brauhof-kaltenhauser-bier-aus-dem-15-bezirk/

https://www.kaltenhausen.at/kaltenhauser-botschaft/brauerei/

https://kurier.at/genuss/brauhof-gastwirtschaft-schilling-macht-riesige-stadt-brauerei-auf/400540559

https://www.zeitfuergenuss.at/tipps/2019/08/brauhof-wien.html