Jedleseer Brauerei

Februar 2016

Anton Freiherr von Störck
Anton von Störck, Quelle: Wikimedia Commons

Die Jedelseer Brauerei wurde fast zeitgleich mit dem zuletzt besuchten Fünfhauser Brauhaus 1787 gegründet, bestand aber fast 60 Jahre länger bis 1930 und widerstand somit sehr lange dem großen Brauereisterben. Sie war eine der prägendsten Brauereien Wiens. Und vom letzten Alleinbesitzer des Fünfhauser Brauhauses hören wir hier auch wieder. Aber der Reihe nach.

 

1778 wurde der Leibarzt Maria Theresias und Rektor der Universität Wien Anton Freiherr von Störck Besitzer der Herrschaft Jedlesee. Er baute die Lorettokapelle zur Kirche aus und gründete eine Trivalschule. Da er als Arzt vermutlich um die gesundheitsfördernde Wirkung von Bier Bescheid wusste, errichtete er weiters 1787 in der Prager Straße 84 das „Herrschaftliche Brauhaus zu Jedlesee“.

 

Die weitere Geschichte der Brauerei liegt im Dunkel und lässt sich nur noch mutmaßen. 1790 dürfte Josef Obergfell Freiherr von Grechtler den Ort und damit die Brauerei erworben haben, danach folgten noch weitere Besitzerwechsel.

 

Anfang des 19. Jahrhunderts war jedenfalls ein gewisser Jakob Wohl Eigentümer der Brauerei. Seine Tochter Theresia Wohl heiratete 1815 den aus Bayern eingewanderten Anton Bosch, die beiden übernahmen in Folge die Brauerei. Das Brauhaus wurde wesentlich erweiterte, womit die „moderne“ Geschichte der Jedleseer Brauerei begann. Bosch baute ein neues Sudhaus und eine Mälzerei. An der Pragerstraße ließ er ein Brauereigebäude im klassizistischen Stil errichten, das offensichtlich eines der höchsten Häuser der Umgebung war. Bei der Hochwasserkatstrophe 1830 konnten sich hunderte Jedleseer in den ersten Stock flüchten, womit Anton Bosch auch als Lebensretter in die Geschichte Eingang fand.

 

Blechschild Jedleseer Brauerei
Blechschild, Quelle: austria-bierglas-archiv.jimdo.com

Boschs Tochter Theresia heiratete den bereits eingangs erwähnten Johann Dengler, beide betrieben in Folge das Fünfhauser Brauhaus. Deren Sohn Anton Dengler übernahm 1866 die Jedleseer Brauerei von seinem Großvater. Im Jahr darauf heiratete er Elisabeth (Elise) Pschorr aus der gleichnamigen Münchner Brauereifamilie. Er machte aus dem Brauhaus einen industriellen Großbetrieb. 1877 baute Anton Dengler in Langenzersdorf einen Bierlagerkeller, einst einen der größten Europas. 1899 ließ er auf dem Brauereigelände an der Ecke Prager Straße/Hopfengasse das Braugasthaus Gambrinus errichten.

 

Inserat Lehmann 1928
Inserat Lehmann 1928, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at

1901 übernahm sein Sohn Rudolf Dengler die Brauerei. 1906 kaufte dieser den Magdalenenhof am Wiener Bisamberg. 1911 ließ er daneben eine Villa als Altersitz für seine Mutter errichten, sie starb zwei Jahre nach ihrem Einzug. Ab 1921 firmierte die Brauerei unter Rudolf Dengler AG. 1928 wird das Unternehmen in Folge der Weltwirtschaftskrise in die Vereinigte Brauereien Schwechat, Sankt Marx, Simmering AG integriert. 1930 wurde die Brauerei geschlossen. 1937 starb Rudolf Dengler.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurde von Häftlingen eines Nebenlagers des KZ Mauthausen in den Kellerräumen der Brauerei Flugzeugmotoren der Firma Heinkel zusammengebaut. Nach dem Krieg befand sich darin eine Pilzzucht. Zuletzt gehörte das Gebäude der Jedleseer Glasfabrik Lutzky & Co. 1978 wurden die Brauereigebäude abgerissen. Fotos finden sich noch im Buch Wien-Floridsdorf von Franz Uhlir. Als verbliebener Rest der einst stolzen Brauerei ist heute nur noch das ehemalige Braugasthaus vorhanden.

 

Sowohl der Bierlagerkeller in Langenzersdorf, als auch die Villa Magdalenenhof lohnen als bierhistorische Ausflugsziele, sollten aber aufgrund ihrer Entfernung zum Braustandort gesondert besucht werden. Der Bierlagerkeller (Langenzersdorf, Obere Kirchengasse 23) wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg, vermutlich durch das Aufkommen technischer Kühlmöglichkeiten, in einen Champagnerkeller umgewandelt. Hier wurden aus Frankreich importierte Weine zu Schaumwein veredelt. Der seinerzeitige Markenname „Mounier“ sowie die Rüttelpulte wurden später von Schlumberger übernommen.

 

Auch dieser Keller wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugzeugherstellung missbraucht. Und auch hier gab es später eine Pilzucht. Der Abriss ist ihm aber immerhin erspart geblieben. Über dem rechten Eingang ist heute noch eine halb verwachsene Tafel zu sehen, ob sie an Anton Dengler erinnert, konnte ich nicht klären. Der Keller ist dzt. ein weitestgehend ungenutztes Anhängsel des dortigen Langenzersdorf Museums, lediglich die Schützengilde Langenzersdorf verwendet einen kleinen Teil als Schießstätte.

Gedenktafel Villa Magdalenenhof
Gedenktafel Villa Magdalenenhof, Quelle: www.magdalenenhof.com

Über die Magdalenenhofstraße geht es auf den Bisamberg und man erreicht in rund 1,5 km die Villa Magdalenenhof (Senderstraße 130). Am Zaun ist eine Erinnerungstafel an Karl von Vogelsang, einem Wegbereiter der Christlichsozialen Partei, angebracht. Streng genommen war er jedoch schon vor Errichtung der Villa lediglich Besitzer des Wirtschaftshofs. 1928 musste die Familie Dengler nicht nur die Brauerei sondern auch den gesamten Magdalenenhof aufgeben, dieser wurde von der Gemeinde Wien übernommen. Die Villa, in deren westlichen Veranda noch eine Gedenktafel an Rudolf Dengler vorhanden sein soll, wurde an verschiedene Gastronomie- und Seminarbetriebe verpachtet. Seit 2011 steht sie leer und verfällt zusehends, gerüchteweise ist sie als Alterssitz für Bürgermeister Häupl im Gespräch.

Für den eigentlichen Brauereispaziergang reisen wir mit dem Bus 34A von Floridsdorf an. An den weniger spektakulären Straßenschildern Anton-Störck-Gasse und Obergfellplatz, die an die ersten Brauereibesitzer erinnern, fahren wir so nur vorbei. Wir steigen an der Haltestelle Jedleseer Friedhof aus, gehen ein kurzes Stück die Überfuhrstraße zurück und queren dabei einen Grünstreifen, der früher einmal ein Nebenarm der Donau war (Schwarze Lacke). Die einstige Bedeutung Jedlesees als Fischer- und Überfuhrort nach Nussdorf wird so verständlich.

 

Wir kommen zum Lorettoplatz, dem Zentrum Jedlesees. Links sehen wir das ehemalige Jedelseer Herrschaftshaus, die Wohnstätte des Brauereigründers. Das Schlössel ist in einem bemitleidenswerten Zustand, selbst der Floridsdorfer Tennis-Club ist als Mieter ausgezogen, in seinen Schlosspark wurde eine neue Wohnhausanlage hineingebaut. Rechts steht die von Störck errichtete Pfarrkirche Maria Loretto, im dahinterliegenden ehemaligen Mesnerhaus Lorettoplatz 2, von dem nur noch ein Torso erhalten ist, war die von Störck gegründete Trivialschule untergebracht.

Gehen wir nun weiter, gelangen wir in die Anton-Bosch-Gasse, womit wir dem Neugründer der Brauerei gedenken. Kurz empfiehlt sich in die Jeneweingasse einzubiegen. Hausnummer 17 ist das 1795 erbaute Erdödy-Landgut, es ist damit fast so alt wie die Brauerei. Hier befindet sich eine Beethoven Gedenkstätte. Beethoven war, als Bosch Eigentümer der Brauerei war, mehrmals bei Gräfin Erdödy zu Gast. Von Beethoven ist der Spruch überliefert: „Ich glaube, solange der Österreicher noch Braun's Bier und Würstel hat, revoltiert er nicht." Ob er damit das Jedleseer Bier gemeint hat, ist nicht überliefert. Weiters findet man am Gebäude noch eine Hochwassermarke aus 1830, die an Anton Bosch, den Lebensretter erinnert.

 

Zurück in der Anton-Bosch-Gasse finden wir am Eckhaus Nr. 12, das ebenfalls noch aus der frühen Zeit der Brauerei stammt, in einer Mauernische eine Statue der Maria zu Loretto. Warum diese hier und nicht in der Kirche steht, kann ich nicht beantworten.

Nun gehen wir weiter zur ehemaligen Umfahrungsstraße von Jedlesee und haben den Blick frei auf das Brauereigelände. Dem klassizistischen Brauereigebäude ist ein vergleichsweise gesichtsloser Bau gewichen, an dem nichts mehr an das seinerzeitige Brauhaus erinnert. Am erhalten gebliebenen Braugasthof, der heute ein bisschen wie ein Geisterschloss wirkt, sieht man die Aufschrift „Zum Gambrinus“ und das Errichtungsjahr 1899. Im Eingangsbereich finden sich weiters Erinnerungstafeln an die Bauherren Anton und Elise Dengler (links), sowie den Architekten (rechts). Heute sind im Haus ein Persisches Restaurant und ein freikirchlicher Veranstaltungsraum untergebracht, beides wurde von uns nicht getestet.

Eine weitere Erinnerung an Anton Dengler ist die auf der anderen Seite der Prager-Straße beginnende Anton-Dengler-Gasse. Fast unnötig zu erwähnen, dass auch sie einmal Bräuhausgasse geheißen hat. Die Baustelle in der Prager Straße 74, ersetzt das vor kurzem geschleifte Geburtshaus Franz Jonas‘. Der ehemalige Bundespräsident erblickte hier im selben Jahr wie der Braugasthof das Licht der Welt.

 

Wir gehen nun dem Brauereigelände entlang in die Hopfengasse, deren Name eine Hommage an das Brauhaus ist. Der rechts liegende Fußballplatz des Floridsdorfer AC war einmal Heimstätte der Admira. Hier wurde die Admira auch mehrmals österreichischen Meister, bevor sie 1966 in die Südstadt übersiedelte. Die Errichtung des Sportplatzes dürfte ungefähr zur Zeit der Brauereischließung erfolgt sein.

An den Fußballplatz schließt ein Fitness- und Tenniscenter an. In der Einfriedung der Anlage ist ein aus Ziegeln errichtetes Eingangstor erkennbar, das den Zugang zu den Barackenlagern des Konzentrationslagers bildete. Das Tor war jedoch schon im 19. Jahrhindert der Eingang zu einem Fuhrwerkshof. Bevor wir uns nun der hier befindlichen Wirtshausbrauerei widmen, gehen wir in der Biegung der Hopfengasse geradeaus weiter und kommen zum Denglerpark, wo auch eine Erinnerungstafel an die Brauereifamilie aufgestellt ist.

Das Ziel unseres Rundgangs ist nun die Wirtshausbrauerei Kadlez. Seit 2014 kann nun in der Hopfengasse wieder vor Ort gebrautes Bier getrunken werden, nachdem das Kadletz nach 10-jährigem Bestand in der Floridsdorfer Hauptstraße 9 hierher übersiedelt ist.

Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Jedlesee

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Anton_Störck

https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_von_Störck

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Jedlesee

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Jedleseer_Brauerei

https://books.google.at/books?id=xqIAAAAAcAAJ&pg=PA237&dq=jedlesee&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiJ38TRiK_KAhWHvBQKHRthA4AQ6AEIOjAG#v=onepage&q=jedlesee&f=false

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=17930112&seite=28&query=%22brauhaus%22&provider=ENP

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18120502&seite=11&query=%22br%C3%A4uhaus%22&provider=ENP

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18180425&seite=16&query=%22jakob%20wohl%22&provider=ENP

https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/21-jedlesee/02-01/?pg=24

https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ255535306

https://books.google.at/books?id=ijliAAAAcAAJ&pg=PA144&dq=bosch

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Anton-Bosch-Gasse

http://www.initiative-denkmalschutz.at/denkmail/Denkmail_Nr_04_web.pdf

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Nepomuk_Dengler

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Anton_Dengler

http://www.magdalenenhof.com/magdalenenhof/100_Jahre_Geschichte.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Magdalenenhof

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/184222

www.langenzersdorf.gv.at/system/web/GetDocument.ashx?fileurl=%2fgemeindeamt%2fdownload%2f222825952_1.pdf

http://www.lemu.at/

http://www.bisamberg.net/system/web/zusatzseite.aspx?menuonr=220782274&detailonr=220745094

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https://books.google.at/books?id=a8Fh8_wykqUC&q=brauhaus

https://donaufeld.wordpress.com/2015/04/15/vor-70-jahren-transdanubien-ist-befreit/

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https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erd%C3%B6dy-Landgut

http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/detail.php?id=&template=dokseite_digitales_archiv_de&_dokid=b445&_seite=1-2

https://de.wikipedia.org/wiki/SK_Admira_Wien

http://brautopo.webnode.at/wien/