Lichtentaler Brauhaus

Februar 2017

Johann Adam I. Andreas Fürst Liechtenstein
Johann Adam I. Andreas Fürst Liechtenstein, Quelle: Wikimedia Commons

Voriges Monat hatten wir unseren Brauereirundgang in der Liechtensteinstraße beendet. Sie ist nach Johann Adam I. Andreas Fürst Liechtenstein benannt, dem Gründer der diesmal zu besichtigenden Brauerei.


1687 erwarb Johann Adam I. Wiesengrundstücke in der Rossau, um darauf die Grundherrschaft Lichtental als planmäßig angelegte Siedlung zu errichten. Die Namensähnlichkeit zum Besitzer ist eher zufällig, es handelte sich hier um eine alte Flurbezeichnung. Zuerst baute er sich selbst eine Unterkunft (Palais Liechtenstein ab 1691). Danach, offensichtlich von Durst getrieben, gründete er eine Brauerei (Liechtensteinstraße 90), sie ging 1698 in Betrieb. Erst danach erfolgte die Parzellierung, die ersten Häuser wurden 1701 errichtet. Wir haben hier also einen der wenigen Fälle, wo die wesentliche Infrastruktur schon vor dem Einzug der neuen Bewohner geschaffen wurde.

 

Die nächste bedeutende Tat Johann Adams I. nach der Brauereigründung war der Erwerb der Herrschaften Schellenberg und Vaduz und deren Vereinigung, womit er 1719 zum Reichfürsten aufstieg und zum Gründer des Fürstentums Liechtenstein wurde. Der damals bereits in dritter Generation geltende Familienvertrag regelte, dass alle Besitzungen des Hauses Liechtenstein in einem so genannten Fideikommiss vom Familienoberhaupt gemeinsam verwaltet werden sollten. Damit waren die jeweiligen Thronfolger des Fürstentums Liechtenstein automatisch auch Besitzer des Lichtentaler Brauhauses:

ab 1698 Johann Adam I. Andreas (keine überlebenden Söhne)
ab 1712 Anton Florian (sein Cousin 2. Grades)
ab 1721 Josef Johann Adam (sein Sohn)
ab 1732 Johann Nepomuk Karl (sein Sohn – keine überlebenden Söhne)
ab 1748 Josef Wenzel (sein Onkel 2. Grades – keine überlebenden Söhne)
ab 1772 Franz Josef I. (sein Neffe)
ab 1781 Alois I. (sein Sohn – keine Kinder)
ab 1805 Johann Josef I. (sein Bruder)
ab 1836 Alois II. (sein Sohn)
ab 1858 Johann II. (sein Sohn)

Die Fürsten blieben Wien zumeist verbunden. Vor allem Johann Josef I. und Johann II. widmeten sich speziell auch der Kunstsammlung im Palais Liechtenstein. Über eine nähere Verbindung zur Brauerei, mit der wir uns jetzt noch ein bisschen beschäftigen wollen, ist aber nichts bekannt.

Erster Braumeister war der aus Bayern eingewanderte Georg Eckh. Gebraut wurde daher vor allem ein starkes dunkles „Bayrisches Bier“. Er unterstützte auch den Bau der Lichtentaler Kirche, nachdem bis 1714 Gottesdienste in der Brauerei abgehalten wurden.

Das Brauwasser kam aus dem Alserbach und dem Währinger Bach (schon ca. 150 Jahre bevor die Währinger Brauerei dort schöpfte) und wurde durch die Liechtensteinschen Wasserleitungen in ein Reservoir bei der heutigen Strudlhofstiege geleitet.

Ein Bierausschank „Zur grünen Linde“ befand sich gegenüber dem Brauhaus in der Liechtensteinstraße 117, in den Abhang zur Nußdorfer Straße grub man Bier- und Eiskeller hinein.


Ehemaliger Bierausschank Liechtensteinstraße 117 um 1900

Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Weitere weitläufige Kelleranlagen wurden im heutigen Sternwartepark angelegt. Später entstand ein zweites von der Brauerei betriebenes Bierlokal „Zur schönen Aussicht“ in der heutigen Pokornygasse in Döbling.

 

Anfang des 19. Jahrhunderts war das Brauhaus noch eines der größten Wiens. Schließlich konnte man aber mit der aufkommenden großindustriellen Konkurrenz nicht mehr mithalten. Im September 1877 musste die Brauerei zusperren.

Ehemalige Nebengebäude der Brauerei Althanstraße 49, 1922
Ehemalige Nebengebäude der Brauerei Althanstraße 49, 1922, Quelle: Wikimedia Commons

In einem Teil des Gebäudes war eine Zeit lang die Freiwillige Feuerwehr Alsergrund einquartiert. Bereits 1892 wurde der Trakt des Brauhauses in der Liechtensteinstraße abgetragen. Die letzten Teile der Brauerei verschwanden, trotz Proteste der Denkmalschützer, erst 1981. Auch wenn man von der Brauerei somit nichts mehr sieht, gibt es zumindest ansatzweise noch Spuren zu entdecken.

Wir beginnen dort, wo wir voriges Monat aufgehört haben, vor der Beaver Brewing Company, Liechtensteinstraße 69. Der Brauereigründer wurde im Straßennamen vermutlich nicht nur aufgrund seiner Verdienste um die Brauerei verewigt. Hier stehen wir auch an der nordwestlichen Ecke des Parks des Palais Liechtenstein. Das Haupthaus findet sich etwas weiter stadteinwärts in der Fürstengasse (ein weiterer Straßennamen in Gedenken an den Brauereigründer). Das Palais sowie das Stadtpalais der Familie in der Bankgasse im 1. Bezirk sind vermutlich keine Geheimnisse und sollen daher nicht extra besucht werden. Uns genügt ein kurzer Blick auf das „Gartenhäuschen“ des Palais in der Alserbachstraße 16. Dieses stammt jedoch erst aus 1873, wurde also kurz vor Schließung der Brauerei errichtet.

 

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite biegen wir in die Pfluggasse. Hier fällt eine scheinbar unmotivierte Stiegenanlage mitten im Straßenverlauf auf. Der Niveauunterschied entstand nach Einwölbung des Alserbachs 1845. Der ursprüngliche Plan, das Straßenniveau generell anzuheben wurde nach Bannung der Hochwassergefahr wieder aufgegeben.

Wir kommen in die Bindergasse und biegen nach rechts. Der Namen stammt von den einst hier ansässigen Fassbindern, die wohl hauptsächlich für das Lichtentaler Brauhaus arbeiteten. Wir überqueren die Liechensteinstraße und kommen schräg rechts über die Fechtergasse in die Salzergasse. Bei Haus Nr. 12 haben wir sozusagen das Highlight der heutigen Führung. Hier sind der Brauereigründer Johann Adam I. Andreas Fürst Liechtenstein sowie der Vorort Lichtental samt Wappen im Straßenbild dargestellt. Über den Parkplatz anstelle des Hauses Nr. 16 sehen wir in den Hinterhof eines der wenigen Alt-Lichtentaler Häuser, zu dem wir später noch kommen werden.

Nun erreichen wir die Lichtentaler Gasse, in der der Name der Vorstadt, aber auch des Brauhauses, erhalten geblieben ist. Nach links, am Eckhaus Nr. 1 sehen wir die Replik eines alten Hauszeichens „Zum blauen Einhorn“. Das Original aus 1794 war ebenfalls Zeitzeuge der Brauerei. Aus kulturhistorischer Sicht empfiehlt sich nun ein kleiner Umweg. Wir steigen dazu die alte Donauterrasse über die Himmelpfortstiege hinauf und erkennen so, dass das Lichtental tatsächlich einst ein Tal war.

In der Nussdorfer Straße gehen wir nach rechts und kommen bei Nr. 54 zum Schubert Geburtshaus. Franz Schubert kam hier 1797 zur Welt und konnte in seinen ersten vier Lebensjahren, die er hier verbrachte, aus dem Hinterhof (bei Öffnungszeiten des Museums zugänglich) den Blick auf das Brauhaus genießen. Über die Vereinsstiege gelangen wir wieder ins Lichtental.

Wir stehen nun am Brauhausareal. Das sechseckige Brauhaus stand einst im Hof des Häuserblocks Liechtensteinstraße/Reznicekgasse/Althanstraße/Newaldgasse, den wir nun umrunden. Wir gehen nach rechts. Einen kurzen Blick sollten wir dem Haus Liechtensteinstraße 117 widmen. Hier stand das Braugasthaus „Zur grünen Linde“.

Wir biegen links in die Reznicekgasse. Nun kommt mein Lieblingsthema: Diese Gasse hieß bis 1778, wenn schon nicht Bräuhausgasse, dann zumindest (In der Unteren) Breyhausgassen. Danach hieß sie Wagnergasse, was an die Bierfuhrwerker erinnern sollte. Hier fällt nun der dzt. nicht in Betrieb stehende Hackl Bräu Bierkeller auf. Gerhard Hackl braute zuerst am Klopeiner See. 2012 übersiedelte er in die Geusaugasse 49 im 3. Bezirk und 2013 in den Schwarzen Adler in der Schönbrunner Straße 40 im 5. Bezirk. Ab 2016 wird leider nicht mehr selbst gebraut.

Nun empfiehlt sich abermals ein Umweg. Wir gehen durch die Marktgasse zur Lichtentaler Pfarrkirche, zumindest in liturgischer Hinsicht ein Nachfolgebauwerk der Brauerei. Im Kirchenraum sehen wir rechts eine Gedenktafel, die auf die Unterstützung des Hauses Liechtenstein bei der Errichtung der Kirche hinweist, darüber das Wappen der Fürsten. Links vorne neben dem Altarraum sehen wir eine Hochwassermarke, die beweist, dass es hier früher tatsächlich Überschwemmungen gab. Schließlich finden wir im Foyer auch einen Andachtswinkel für das Brauhaus.

Nun gilt es noch ein paar Zeitzeugen der Brauerei zu finden. In der Marktgasse 25 steht das Haus „Zum Küss den Pfenning“. Es stammt aus 1704 und ist somit eines der ältesten Häuser Lichtentals. An der Rückseite der Kirche finden wir die Wiesengasse, sie erinnert an die vor der Besiedelung hier gewesene „Wiese unter dem dürren Sporkenbühel“. Das Haus Nr. 18 hat nichts mit der Brauereiepoche zu tun, soll aber aufgrund des lieben Bärenfrieses erwähnt werden. In die Brauperiode fallen wieder die Häuser Nr. 26 „Zur goldenen Galeere“ und Nr. 28 „Zum heiligen Peter“. Zurück in der Reznicekgasse sehen wir noch ein original Gebäudeensemble Nr. 12 „Zur Elster“ (die Elster ist das Wappentier des Alsergrunds), Nr. 14 „Zur goldenen Kugel“ und Nr. 16 „Zu den drei Hasen“.

Wir setzen die Umrundung fort. An der Ecke zur Althanstraße finden wir am Brauhausgrund das Kunstwerk "Eine Tür für Eurydike" von Maitre Leherb. An der Ecke Althanstraße/Newaldgasse sehen wir den Alexander-Nehr-Hof. Alexander Nehr war Schöpfer des Wiener Rathausmannes und hatte zum Ende seiner Karriere seine Schlosserwerkstätte hier in den aufgelassenen Brauereigebäuden. Wir folgen der Newaldgasse, an der Ecke zur Marktgasse haben wir eine Sichtachse durch das ehemalige Brauereigelände und die gesamte Vorstadt Lichtental bis zum Palais des Gründers in der Alserbachstraße.

Wir gehen nun noch die Liechtensteinstraße stadtauswärts. Vor dem Haus Nr. 108 sehen wir die sogenannte Prälatensäule. Sie wurde vom Klosterneuburger Propst Ambros Lorenz errichtet, nachdem er am 26. Juni 1779 hier vorbeikam und bei einer Explosion im Munitionsmagazin in der heutigen Pulverturmgasse zwar sein Pferd verlor, selbst aber unverletzt blieb. Das Stift Klosterneuburg war vor den Liechtensteinern Besitzer des Geländes. Bei der Explosion kamen 67 Menschen ums Leben und auch die Brauerei wurde in Mitleidenschaft gezogen.

Hinter der Prälatensäule sehen wir schon das Ziel unserer Reise, das wie das historische Vorbild heißende, sonst aber in keinem Zusammenhang stehende Lichtenthaler Bräu. Es wurde 2012 von Erich Langsteiner gegründet, seither werden hier in unmittelbarer Nähe zum einstigen Lichtentaler Brauhaus kreative Craft-Biere bebraut.

 


Quelle

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lichtentaler_Brauhaus

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Liechtensteinstraße

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Adam_I._Andreas_(Liechtenstein)

https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtental_(Wien)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lichtental_(Vorstadt)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Liechtensteinpalais_(9)

https://de.wikipedia.org/wiki/Liechtenstein#Entstehung_des_Fürstentums_und_Unabhängigkeit

http://alpen-info.at/html/liechtenstein.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_I._von_und_zu_Liechtenstein

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_II._von_und_zu_Liechtenstein

http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_L/Liechtenstein_Johann-II_1840_1929.xml

http://www.bezirksmuseum.at/default/fileadmin/user_upload/Bezirke/Bezirk-09/Heft_9.pdf#page=4

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Liechtensteinsche_Wasserleitungen

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=17870926&seite=25&query=%22franz%2Bjoseph%2Bstadler%22

http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Alsergrund/Drunt%20in%20Lichtental

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=fdb&datum=18620521&seite=10&query=sch%C3%B6nen+aussicht

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18770927&seite=12&query=pacht+lichtenthal+brauhaus

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwb&datum=18831110&seite=9&query=lichtenthaler+feuerwehr

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alserbacheinw%C3%B6lbung

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Bindergasse

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Franz_Schubert

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zum_schwarzen_R%C3%B6ssel_(9)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Reznicekgasse

http://brautopo.webnode.at/wien/

http://www.brauereifuehrer.com/wiki/Hackl_Br%C3%A4u

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Wien/Alsergrund

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=17790630&seite=11&query=pulvermagazin

http://www.brauereifuehrer.com/wiki/Lichtenthaler_Br%C3%A4u