Brauerei Neuerlaa

November 2017


Wir wollen diesmal wieder in den 23. Bezirk pilgern, unsere heute zu erforschende Braustätte war aber viel kleiner, kurzlebiger und unbekannter als die Liesinger Brauerei.

Um 1835 entstand aufgrund der beginnenden Industrialisierung und des damit einhergehenden Bevölkerungswachstums im Osten des Ortes Erlaa ein neuer Ortsteil, der Neuerlaa genannt wurde. Bereits 1838 errichtete man dort an der heutigen Adresse Altmannsdorfer Straße 331 eine Brauerei.

 

Erster Besitzer war ein gewisser Carl Seiff (oder Seyff), der zuvor schon Bierbrauer im Brauhaus im Unteren Werd und in der Brauerei Schellenhof war. Nach seinem Tod 1845 wurde Alois Seyff sein Nachfolger, ob er Bruder, Sohn oder sonst ein Verwandter war, ist für mich leider nicht feststellbar. Danach scheint Johann Franz als Besitzer auf, als er 1856 starb stand das Brauhaus kurzfristig still.

Georg Ernst setzte die Brauerei wieder in Betrieb. 1860 wurde ein Bierausstoß von rund 20.000 hl erreicht, was immerhin fast so viel war, wie die Schremser Brauerei heute erzeugt. Damit war man aber immer noch eine der kleinsten Brauereien in Wien. Der nächste Eigentümer war 1861 Leopold Weinmann, der aber sofort wieder Ausgleich anmelden musste.

 

Mälzerei Neu-Erlaa um 1892 (Ausschnitt aus einer Darstellung der Brauerei Schellenhof)
Mälzerei Neu-Erlaa um 1892 (Ausschnitt aus einer Darstellung der Brauerei Schellenhof), Quelle: Edition Winkler-Hermaden/Bezirksmuseum Liesing - Fotosammlung Siebenhirten

Am 19. Oktober 1861 wurde Salomon Rippa als Eigentümer der Bierbrauerei Neuerlaa ins Firmenregister eingetragen. Doch auch er führte den Betrieb nur zwei Jahre, denn am 13. Oktober 1863 wurde das Brauhaus von der „Ersten Bierbrauerei-Actiengesellschaft in Wien“ der Brauerei Schellenhof übernommen. Der Braubetrieb wurde schließlich 1866 nach nur 28 Jahren und mindestens sieben verschiedenen Eigentümern wieder eingestellt. Nur die Mälzerei blieb noch für Schellenhof in Betrieb. Dieser Tatsache verdanken wir auch eine Abbildung der Brauerei Neuerlaa, die auch schon bei meiner dortigen Beschreibung zu finden war.

Am 23. Mai 1905 verwüstete ein Großbrand das Areal. Dem damaligen Zeitungsbericht verdanken wir eine weitere Bildquelle, auch wenn man eigentlich darin nicht wirklich etwas erkennen kann. Damit verschwanden nun die letzten Reste des Brauhauses.

Illustrierte Kronen Zeitung 25. Mai 1905, Seite 3
Illustrierte Kronen Zeitung 25. Mai 1905, Seite 3, Quelle: ANNO/ÖNB

Uns bleibt daher wieder nur einmal, das Brauereigelände abzuschreiten. Wir treffen uns dazu an der Badner Bahn Station Neu Erlaa, womit wir zumindest noch den Brauereinamen im Straßenbild verewigt finden. Wir gehen die Grawatschgasse stadtauswärts bis zur nächsten Straßenkreuzung und haben das nordöstliche Ende des Brauhausareals erreicht. Am Eckhaus findet sich zwar eine Darstellung mit historischem Bezug, doch bleibt unklar, warum dem angeblichen Gründer der Nachbarkatastralgemeinde Atzgersdorf gerade hier, mitten in Neuerlaa, gedacht wird. Auch scheint nicht erwiesen, dass Azzo von Gobatsburg, der Urvater der Kuenringer, tatsächlich Gründer und Namensgeber Atzgersdorfs war. Aus meiner Sicht viel sinnvoller wäre es daher gewesen, hier die Brauerei zu verewigen. Wenn wir nach links schauen sehen wir an der Kreuzung zur Triester Straße das Wohnhaus Schönwiesegasse 1, das 1900 errichtet wurde und somit den Großbrand und damit den Untergang der Brauereigebäude noch erlebt hat.

Wir umrunden nun die ehemalige Brauerei und gehen dazu nach rechts in die Josef-Benc-Gasse, danach links in die Altmannsdorfer Straße und dann wieder links in die Erlaaer Straße, bis wir wieder die Grawatschgasse erreichen. Von der Brauerei ist freilich nichts mehr zu sehen, heute wird das Areal hauptsächlich von einem Werbemittelverteiler und einem Baustoffhändler in Beschlag genommen.

Auf dem gegenüberliegenden dreieckigen Grundstück zwischen Erlaaer Straße, Altmannsdorfer Straße und Triester Straße, das sich bereits in Niederösterreich befindet, lag einst ein zur Brauerei gehörender Braugasthof. Zumindest dieser kann in historischen Landkarten nachgewiesen werden.

Erlaa um 1872 (Aufnahmeblatt der Franzisco-Josephinische Landesaufnahme - Ausschnitt), rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung
Erlaa um 1872 (Aufnahmeblatt der Franzisco-Josephinische Landesaufnahme - Ausschnitt), rote Kennzeichnung eigene Hervorhebung, Quelle: Wikimedia Commons

 

Die Architektur des sich heute hier befindlichen Lebensmittelhändlers ist dabei noch das Interessanteste. Ansonsten lässt das Gewerbegebiet und die Umgebung von Häusern mit Herzerln am Dach heute nur wenig Brauhausfeeling aufkommen.

Trotzdem wollen wir nun Bier konsumieren, das im 23. Bezirk gebraut wird. Im Frühjahr 2016 gründete Alexander Forstinger die Brauerei 100 Blumen. Der Name steht für die Vielfalt der Bierstile. Seit heuer wird in den altehrwürdigen Gemäuern der ehemaligen Klavierfabrik Luner & Pattart in der Endresstraße 18 gebraut. Leider gibt es (noch) nicht die Möglichkeit dieses Bier dort zu verkosten, nicht einmal ein Firmenschild ist an der Adresse zu entdecken.

 

Wir haben aber das Glück, dass gerade die Vienna Beer Week stattfindet und 100 Blumen dafür in Gemeinschaftsarbeit mit Next Level Brewing ein Festivalbier gebraut hat. Wir fahren daher mit der Badner Bahn wieder stadteinwärts in den 4. Bezirk und gehen in der Johann Strauss Gasse 42 in das wieder erblühte Gräzelwirtshaus Fassdippler, wo wir uns von der exquisiten Qualität dieses und auch einiger anderer Biere überzeugen können.

Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erlaa

https://de.wikipedia.org/wiki/Erlaa

http://brautopo.webnode.at/wien/

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18470127&seite=12&query=seiff

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18330222&seite=13&query=Seiff

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18400502&seite=13&query=seiff

https://books.google.at/books?id=sY8AAAAAcAAJ&pg=PA316 (ff)

https://books.google.at/books?id=cslcAAAAcAAJ&pg=&pg=PA36

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18561028&seite=21&query=erlaa

https://books.google.at/books?id=nMlcAAAAcAAJ&pg=PA36

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/24883

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=fdb&datum=18591216&seite=5&query=Biererzeugung

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Eimer

http://www.loecker-verlag.at/sites/dynamic.pl?sid=&action=shop&item=404&group=27

http://hagru.at/de/fun/brauerei/B_View.html#b_55

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18610721&seite=23&query=Weinmann

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18611027&seite=25&query=Rippa

https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/literatur-sprach-und-kulturwissenschaften/kulturwissenschaft/38746/wiener-bier-geschichte

https://books.google.at/books?id=kXxDAAAAcAAJ&pg=PA338&dq=neu-erlaa

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/26428

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfb&datum=18690308&seite=5&query=schellenhof

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=krz&datum=19050525&seite=3&query=brand

https://de.wikipedia.org/wiki/Azzo_von_Gobatsburg

https://de.wikipedia.org/wiki/Atzgersdorf

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/389282

https://www.wien.gv.at/kulturportal/public/