Neulingsche Brauhaus

Oktober 2015

Vinzenz Neuling
Vinzenz Neuling, Quelle: Wikimedia Commons

Die Geschichte des Neulingschen Brauhauses währte nur kurz und ist auch relativ schnell erzählt. Es ist wohl eher mit einer heutigen Gasthausbrauerei vergleichbar, auch wenn sie mit einem Jahresausstoß von 45.000 hl (1860) dafür dann doch relativ groß war.

 

Der Wiener Juwelier Bruno Neuling kauft Anfang des 19. Jahrhunderts in der Ungargasse ein kleines Häuschen mit Wirtschaftshof, einen Stadel und ein Gartenhaus und ließ alles zu einem Gebäudekomplex umbauen. Darin richtete er eine Brauerei (Ungargasse 54-58), einen Gastgarten und einen Wintersalon ein. Noch im Eröffnungsjahr 1817 starb er. Sein Sohn Vinzenz Neuling interessierte sich anfänglich nicht sehr für die Brauerei, führte dann aber das Erbe recht erfolgreich weiter und vergrößerte das Etablissement.

Wedls Saal- und Garten-Lokalitäten um 1830
Wedls Saal- und Garten-Lokalitäten um 1830, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Der Gastgarten war 3.300 m2 groß, mit 145 Kastanien- und Akazienbäumen bepflanzt und bot 700 – 800 Personen Platz. Hier traten berühmte Musiker ihrer Zeit auf, wie zB. Josef Lanner und Johann Strauß Vater. Die Konzerte waren gratis, das Bier dafür teuer. Der Saal war auch als Veranstaltungsort für Bälle sehr beliebt.

Restaurant Schreder vorm. Neulings Etablissement
Restaurant Schreder vorm. Neulings Etablissement, Quelle: Bezirksmuseum Landstraße

Nach dem Tod Vinzenz Neulings 1846 übernahm August Wedl die Einrichtung. 1867 schloss er nach 50 Jahren die Brauerei, ein paar Jahre wurde hier aber noch für die Hütteldorfer Brauerei gemalzt. Dann wurde das Gebäude von einer Schlosserei genutzt. Das Lokal (Ungargasse 52) wurde weitergeführt. Ein späterer Besitzer war ein gewisser Eugen Dreher, Urenkel des Begründers der Dreher-Dynastie Franz Anton, dem wir schon im Brauhaus im Unteren Werd begegnet sind und in der Brauerei Schwechat noch begegnen werden. Nun traten hier hauptsächlich Volkssänger auf, unter anderem auch eine gewisse Maly Nagl, die ich als Kind noch im Radio dudeln gehört habe. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts dürfte die Geschichte des Lokals enden.

 

Wir treffen uns an der Ecke Landstraßer Hauptstraße/Neulinggasse. Bevor wir Richtung Brauerei abbiegen werfen wir einen kurzen Blick zum Einkaufszentrum Landstraßer Hauptstraße 97-99. Hier befand sich das 1859 gegründete Drehersche Etablissement, eine ähnliche Einrichtung wie das nun zu besichtigende Neulingsche Etablissement, nur eben von der Brauerei Schwechat.

Straßenschild Neulinggasse

Die Neulinggasse wurde schon 1862, also noch zu Bestandszeit der Brauerei, nur 16 Jahre nach dem Tod Vinzenz Neulings, nach ihm benannt. Da die Namensbezeichnung der Gasse im Prinzip das einzige sichtbare Relikt der Brauerei ist, wollen wir sie nun entlangwandern.

 

Der erste Teil der Gasse wurde erst 1952 nach Abriss des hier die Einfahrt versperrenden Palais Arenberg angelegt und führt durch den ehemaligen Lustgarten des Palais. Neben dem an der Straße stehenden Gartenpavillon aus 1785 (ein weiterer steht am Durchgang zwischen Charasgasse 8 und Ungargasse 37) stechen vor allem die Flacktürme aus dem Zweiten Weltkrieg ins Aug. Der nächste Abschnitt bis zur Ungargasse wurde schon um 1900 mit der Verbauung eines Teils des Parks errichtet. An der Ecke zur Ungargasse sehen wir die Neuling Apotheke, die wohl nicht nach der Brauerei, aber nach der Adresse so benannt ist und das Neulingsche Etablissement noch erlebt hat.

Nun sind wir am Brauereigelände angelangt und wie so oft, sind keinerlei Bauteile mehr erhalten. Vis-a-vis sehen wir den Nachfolgebau des Neulingschen Etablissements. Auch wenn ich um objektive Berichterstattung bemüht bin, muss ich doch sagen, dass dieses Gebäude nicht mit dem Charme des ehemaligen Braugasthofes mithalten kann. An der Adresse ist nun die Konditorei Neunteufel untergebracht womit zumindest noch die Möglichkeit besteht, auf historischem Boden Flaschenbier zu konsumieren.

 

Wir folgen dem Teil der Neulinggasse weiter, der schon zu Zeiten der Brauerei bestand und ursprünglich Grasgasse hieß. An Stelle der Häuser 19-23 befand sich der Zutritt zum Gastgarten. Die Häuser sind alle verschlossen, ein Eintritt lohnt jedoch sowieso nicht, da die Bäume in den Hinterhöfen wohl keine originalen Schattenspender des Biergartens mehr sind. Das danebenstehende Haus Nr. 25 stammt aus 1854, stand also schon zu Zeiten des Biergartens, hatte aber vermutlich keinen Bezug zur Brauerei.

 

Am Ende des Häuserblocks führt die Neulingbrücke über die Gleise der Schnellbahn. Der Name erinnert zwar an die Brauerei, doch ist kein Hinweis darauf im Straßenbild zu finden. In dem Einschnitt der Bahntrasse floss bis 1879 der Wiener Neustädter Kanal. Wir biegen links in die Linke Bahngasse. Nachdem die linke Straßenseite zu Zeiten des Biergartens noch nicht verbaut gewesen sein dürfte, könnte man damals Bier trinkend einen idyllischen Blick aufs Wasser genossen haben. Die markante Russisch Orthodoxe Kirche war jedoch noch nicht zu sehen, sie wurde erst 1897 erbaut.

Wir passieren die Stroh- und Streichergasse, die bei der Neubebauung des Areals angelegt worden sind. Nach dem Haus Nr. 21 biegen wir wieder links ab. Anstelle des Gebäudes zur Linken stand wohl früher die Brauerei. Auf der rechten Seite sehen wir die erhalten gebliebenen Reithalle des Harrachpalais aus 1850, die in das nunmehrige "Imperial Riding School Hotel" integriert wurde und somit noch eine Zeitzeugin der Brauerei ist. An der Ungargasse biegen wir wieder nach links und wandern an der ehemaligen Straßenseite der Brauerei entlang. Hier starb auch Vinzenz Neuling, begraben wurde er im Währinger Ortsfriedhof, sein Grabmal existiert noch im Gräberhain des heute dort befindlichen Schubertparks, um ihn zu besuchen muss man sich jedoch den Schlüssel bei der zuständigen Abteilung der MA42 besorgen.

Nachdem wir das Areal umrundet haben biegen wir wieder nach links in die Neulinggasse, gehen nun über die Neulingbrücke und wandern den Rest der Neulinggasse ab. Der letzte Teil der Gasse wurde 1916, wieder nach Abriss eines Palais, durch den dazugehörigen Modenapark verlängert. Am Ende versperrte das ehemalige Vetserapalais, das ebenfalls 1916 demoliert wurde, die Verbindung zur Zaunergasse.

 

Das Vetserapalais ist übrigens nach seiner berühmtesten Bewohnerin Mary Vetsera benannt, die in Mayerling gemeinsam mit Kronprinz Rudolf ein trauriges Ende fand. Ihr Vater mietete das Palais von einem gewissen Graf Salm. Damit hätten wir auch eine Idee, wo der Abend zu verbringen wäre. Durch die Salesianergasse gelangen wir zum Salmbräu, das im Unteren Belvedere einquartiert ist und als Gasthausbrauerei als legitimer Nachfolger des nicht einmal 500 m entfernten Neulingschen Brauhauses gelten kann. Ob besagter Graf Salm jedoch eine Verwandtschaft zu Otto von Salm, dem Gründer der Brauereianlagenfirma Salm und damit Namensgeber des Salmbräus, ist, konnte nicht geklärt werden.