Brauerei Schellenhof

Mai 2015


Statt bei unserer Spurensuche nun noch weiter in die Vergangenheit zurückzugehen, wollen wir wieder eine ehemalige Brauerei besuchen, die zumindest noch bis ins 20. Jahrhundert bestand. Und die wärmere Jahreszeit wollen wir nutzen, um auch die unwegsamen Gebiete am Stadtrand zu durchforsten. So fiel die Wahl auf die Brauerei Schellenhof.


Bevor ich mit meiner Recherche begann, hatte ich von dieser Brauerei noch nie etwas gehört, obwohl sie immerhin bis 1926 bestand. Sie war auch gar nicht so klein, hatte sie doch zu ihrer Blütezeit um 1900 einen Ausstoß von 136.000 hl pro Jahr, was nur ein bisschen weniger ist, als zB. die Brauerei Hirt heute.

 

Am Areal der Brauerei (heute Ketzergasse 123) stand bereits um 1178 ein Kloster. Der Gutshof Schellenhof wurde 1530 das erste Mal urkundlich erwähnt. Ab wann hier Bier gebraut wurde, ist nicht ganz klar, angenommen wird aber schon ab 1622. 1683 wurde der Hof im Rahmen der Zweiten Türkenbelagerung zerstört, 1685 wieder aufgebaut. Ab 1719 gilt der Braustandort als gesichert.

 

Die Brauerei war offensichtlich sehr beliebt. Im Reiseführer „Die Umgebungen Wiens - historisch-malerisch geschildert" von Franz C. Weidmann liest sich das so:

 

Siebenhirten zählt nebst dem Schellenhof, zu welchem drei Häuser gehören, 47 Häuser mit 364 Einwohnern. Der Ort ist uralt, schon im XII. Jahrhunderte erscheinen die Ritter von Siebenhirten. Jetzt gehört der Ort zur Herrschaft Rodaun. Der Schellenhof war früher ein Edelsitz, was auch teilweise aus seiner Bauart noch zu erkennen ist. Im Jahre 1770 erkaufte ihn ein Bräumeister, und richtete darselbst eine Bräuerei ein, deren Erzeugnis in Österreich sehr berühmt ward. Das Bräuhaus, bei welchem auch ein Garten, eine Kegelbahn usw. angelegt ist, findet in den Sommertagen äußerst zahlreichen Besuch von Wiener Bierfreunden.

Die Umgebungen Wien's: historisch-malerisch geschildert, Franz C. Weidmann, Mayer & Compagnie Wien 1839

Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, www.digital.wienbibiothek.at

 

Als Besitzer taucht später ein gewisser Valentin II. Edler von Mack auf. Er, sein Vater Valentin I. und sein Großvater Franz waren in vielfacher Weise Wohltäter der Gegend. Sie sind in der Mackgasse in Kalksburg bzw. in der Valentingasse in Mauer verewigt. Seine Eigentümerschaft reicht bis zum Jahr 1848, vermutlich weil man ab dem Revolutionsjahr den feudalen Strukturen nicht mehr so wohl gesonnen war.

Siebenhirten um 1872
Siebenhirten um 1872 (Ausschnitt), Quelle: Wikimedia Commons
Brauerei Schellenhof um 1892
Brauerei Schellenhof um 1892, Quelle: Edition Winkler-Hermaden/Bezirksmuseum Liesing - Fotosammlung Siebenhirten
Bierglas Brauerei Schellenhof
Bierglas, Quelle: austria-bierglas-archiv.jimdofree.com

Danach ist ein Johann Christian Hoppe als Eigentümer der Brauerei bekannt. 1862 wurde die Brauerei gemeinsam mit der Brauerei Neu-Erlaa in die „Erste Bierbrauerei-Actiengesellschaft in Wien“ eingebracht und als „Dampfbrauerei“ komplett erneuert. Langjährige Verwaltungsratspräsidenten waren Rudolf Siegl sowie Dr. Alois Klob. Direktoren der Brauerei waren in dieser Zeit Hermann Werner, Ignaz Schwoner sein Sohn Gustav Schwoner, Ernst Schultes, Karl Grimm und Gustav Loidl. 1919 wechselte dieser zur Pilsener Brauerei und wurde durch Franz Hahn aus der Brauerei Zipf ersetzt, auch daran kann man erkennen, dass die Brauerei zu dieser Zeit ein durchaus ernst zu nehmender Betrieb war.

1926 schließlich wurde die Brauerei geschlossen. Damit war die Brauerei streng genommen nie in Wien, wurde Siebenhirten doch erst 1938 Wien angeschlossen.

Die Gebäude blieben zunächst bestehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde, vor allem in den Kelleranlagen, unter dem Decknamen „Sophie“ Kriegsgerät hergestellt. Bereits bei einer der ersten Luftangriffe auf Wien am 29. Mai 1944 (oder 23. August 1944?) wurde Siebenhirten und der Gebäudekomplex eher zufällig getroffen und zerstört. In den Jahren 1960/61 entstand an der Adresse die heute noch immer bestehende Wohnhausanlage „Brauhausflur“.

Straßenschild Schellenhofgasse

Für unsere Besichtigungstour treffen wir uns an der Endstelle der U6 Siebenhirten. Wir gehen die Ketzergasse nach rechts und treffen alsbald auf der linken Seite auf die nach der Brauerei benannte Schellenhofgasse. Hier beginnt das Brauereigelände. Auf der rechten Straßenseite der Schellenhofgasse sind noch Nebengebäude der Brauerei wie Pförtnerhaus, Direktionsgebäude und Gärtnerhaus erhalten geblieben, die Bombenangriff und Abriss überstanden haben.

 

An den Häusern selbst ist kein Anzeichen der Brauerei mehr zu erkennen, mit viel Vorstellungsvermögen kann man die Objekte an den Dachecken des Hauses Nr. 2 (Pförtnerhaus?) vielleicht als Hopfendolden interpretieren. Gegenüber im Haus Ketzergasse 105/Schellenhofgass 1 befand sich die Brauhausrestauration, die als Lokal bis 1937 bestand. Im Gebäude sind heute ein Meditationszentrum und ein privater Kindergarten untergebracht.

Wir gehen nun ein bisschen die Ketzergasse weiter und biegen links in die Wildagasse ein, die nun durch das ehemalige Brauereigelände führt. Rechts liegt die Wohnhausanlage Brauhausflur, die, zumindest bei schönem Frühlingswetter, idyllisch daliegt. Hier herrschen fast noch dörfliche Verhältnisse. Als ich zur Dokumentation hier fotografierend unterwegs war, wurde ich gleich zweimal zur Rede gestellt, etwas was mir zuletzt in der Kärntner Straße natürlich nicht passierte.

Straßenschild Kellerberggasse

Am Ende der Wildagasse treffen wir auf die Kellerberggasse, die nach den weitläufigen Kellereien des Brauhauses so benannt ist. Wir biegen rechts in die Halauskagasse, zur linken Hand findet man nun Ruinen der Kellerei. In einem Teil der unterirdischen Anlagen ist heute ein Sportschützenverein untergebracht. Kämpft man sich über den unwegsamen bewaldeten Hügel südlich der Halauskagasse findet man einige Entlüftungsanlagen des ehemaligen Brauereikellers.

Straßenschild Schellenseegasse

Wir drehen wieder um, folgen am Ende der Halauskagasse geradeaus der Kellerberggasse und biegen nach Kurzem rechts in die Schellenseegasse. Sie führt hinauf zum Schellensee, ein ehemaliger Ziegelteich, der später als Eisteich für die Brauerei Verwendung fand. Die künstliche Entstehung erklärt auch die eher unübliche Lage des Sees auf einem Hügel. Der See wird vom Kleingartenverein Schellensee genutzt und ist daher nicht zugänglich. Nach kurzem gelangen wir zu der einzigen Stelle, wo der See einigermaßen einsehbar ist, eine Umrundung der Anlage ist daher aus brauereigeschichtlichen Gründen nicht unbedingt notwendig.

Geht man noch ein Stückchen weiter, kann man links in das Erholungsgebiet Kellerberg einbiegen. Der Namen erinnert zwar an den Brauhauskeller, soweit dürften sich die Kelleranlagen dann aber doch nicht ausgedehnt haben. In der naturnah gestalten Parkanlage kann man rechts Hügeln sehen, die eine Mischung aus Schanzanlagen aus den Schwedenkriegen des 17. Jahrhunderts und Lärmschutzwall zur dahinter liegenden Außenringautobahn sind.

Nachdem wir über die Wiesen geschlendert sind kommen wir wieder zurück zu Ketzergasse. Als passendes Lokal zur Besiegelung der Brauereibesichtigung fand ich unweit, schon knapp außerhalb Wiens, im Braugasthof Fabrik in Vösendorf die passende Lokation. Hier wurden bereits ab 1888 zumindest Fruchtsäfte und Spirituosen hergestellt, heut gibt es in den historischen Gemäuern vor allem gepflegte Biere.