Brauhaus vor dem Widmertor

April 2017

 

Jetzt wollen wir wieder ganz zum Beginn der Wiener Biergeschichte gehen. Dazu wandern wir gedanklich vom Zentrum Rustendorfs die Mariahilfer Straße stadteinwärts und fast fünf Jahrhunderte zurück. Vor der alten Babenberger Ringmauer befand sich einst das erste Wiener Brauhaus.

Bier trank man in Wien erstmals zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Gebraut wurde vorwiegend zu Hause. Zum Schutz der Weinbauern wurde 1382 durch Albrecht III. verfügt, dass für das Brauen und Bierausschenken eine landesfürstliche Lizenz notwendig sei. Die erste Befugnis erhielt ein gewisser Ulrich (der) Zink, der ein Brauhaus vor dem Widmertor besaß. Diese Brauerei wollen wir daher als erstes offizielles Wiener Brauhaus annehmen. Trotz der frühen Entstehung lassen sich noch weitere Namen in der Geschichte finden:

ab 1382    Ulrich Zink
ab 1400    Han(n)s Zink (sein Sohn)
ab 1416    Berthold (Pechthold) von Mangen
                 (Mann der Cousine der Frau von Ulrich Zink)
danach     Stephan Kraft von Marsbach (sein Schwager)

Hans Zink war neben Brauherr auch noch Forst- und Kellermeister, herzoglicher Anwalt im Stadtrat, mehrfacher Hauseigentümer und Weingartenbesitzer(!). Berthold von Mangen war Hubmeister und damit so etwas wie Finanzminister des Herzogtums Österreich. Ein weiterer Schwager Stephan Krafts war Ritter Hans (der) Würffel. Er besaß den Würffelhof in Nussdorf, in dessen Nachfolgegebäude rund 400 Jahre später die Nussdorfer Brauerei gegründet werden sollte. Das aber nur nebenbei.

Auf Druck der Weinbauern verfügte Albrecht V. 1430, dass innerhalb des Burgfriedens überhaupt kein Bier mehr öffentlich ausgeschenkt werden dürfe. Stephan Kraft verkaufte daraufhin sein Braurecht 1432 an das Wiener Bürgerspital, damals vor dem Kärntnertor gelegen. Ob jetzt nur noch Kranke Bier trinken durften, es doch noch Ausnahmen gab, oder ob das Verbot nur von kurzer Dauer war, kann ich nicht sagen.

Jedenfalls endete die Geschichte des Brauhauses, als das Türkische Heer 1529 das erste Mal gegen Wien zog. Aus Verteidigungsgründen wurden, wie schon mehrfach erwähnt, die Vorstädte und damit auch das Bürgerspital vor dem Kärntnertor und das dazugehörige Brauhaus vor dem Widmertor niedergebrannt. Die Fortsetzung dieser Braugeschichte haben wir schon bei der Beschreibung des Brauhauses im Bürgerspital am Schweinemarkt gehört.

Wien zur Zeit der Ersten Türkenbelagerung, Nikolaus Meldemann, Nürnberg 1530 (Ausschnitt)
Wien zur Zeit der Ersten Türkenbelagerung, Nikolaus Meldemann, Nürnberg 1530 (Ausschnitt), Quelle: Wikimedia Commons

 

Auch nach der Ersten Türkenbelagerung blieb das Gebiet vor der Stadtmauer frei und wurde erst wieder mit Errichtung der Ringstraße mehr als 300 Jahre später verbaut. Es wundert also nicht, dass wir heute keine Spuren mehr vom Brauhaus finden werden. Dennoch wollen wir zuerst, an den Ort der einstigen Brauerei pilgern. Man weiß zwar, dass das Brauhaus in der damaligen Weidenstraße lag. Ihren Namen hatte sie von den Weiden, die am Ufer des nahen Wienflusses wuchsen. Wo genau diese heute zu verorten ist, weiß man aber nicht. Nach einigen Quellen lag sie im Bereich des heutigen Getreidemarkes (was rein namenstechnisch gut als Brauereistandort passen würde), nach anderen Angaben im Bereich der Wienzeile, womit nicht einmal die Ausrichtung der Straße eindeutig ist. Nach weiteren Angaben lag das Brauhaus an der heutigen Adresse Elisabethstraße 12-14, wollen wir dies als Standort annehmen.

Wir beginnen unseren Rundgang an der Kreuzung Operngasse/Opernring. Wenn wir kurz stadteinwärts schauen sehen wir einerseits den Standort des ehemaligen Kärntnertors, vor dem das seinerzeitige Bürgerspital lag, als auch den Standort des nachfolgenden Bürgerspitals am Schweinemarkt und dessen Brauhauses. Wir gehen aber stadtauswärts und biegen rechts in die Elisabethstraße. Bei den Nr. 12-14 haben wir den vermuteten Standort der Brauerei erreicht. Wenn es einem jetzt gelüstet, diese historische Tatsache auch geschmacklich nachzuvollziehen, kann man an der Hotelbar des im Häuserblock untergebrachten Le Méridien einen Aperitif zu sich nehmen.

Wenn schon nichts mehr von der Brauerei zu sehen ist, wollen wir nun wenigstens Spuren des namensgebenden Widmertors und der damaligen Hofburg, in dessen Westturm das Tor integriert war, suchen. Deshalb habe ich mich auch für den Brauereinamen „vor dem Widmertor“ und nicht für den ebenfalls verwendeten „in der Weidenstraße“ entschieden, von dem einen gibt es noch Spuren, von der anderen eben nicht. Der Name Widmertor leitet sich vom althochdeutschen Wort „wid“ für Holz ab und geht auf den im Inneren der Babenberger Ringmauer gelegenen Holzmarkt zurück. In obigen Ausschnitt des Meldemannplans ist jedenfalls rechts unten die Hofburg dargestellt. Ob die dahinter liegende diagonal verlaufende Baumreihe die Weidenstraße sein soll und eines der niedergebrannten Häuser die Brauerei ist, bleibt der Fantasie überlassen.

Wir kommen zur Babenbergerstraße, überqueren den Ring und gehen geradeaus zwischen Neuer Burg und Burggarten weiter. So landen wir im sogenannten Bibliothekshof der Hofburg. Durch einen Durchgang rechts hinten gelangen wir in den Augustinerhof. Hier wurden 2011 Reste des Kreuzgangs des Augustinerklosters aus 1341 freigelegt, die damit älter als die Brauerei sind. Durch zwei weitere Durchgänge gelangen wir über den Josefsplatz in den Schweizerhof. Der viereckige Schweizertrakt ist, gut erkennbar, der älteste Bauteil der Hofburg, stammt in seinen Grundzügen aus dem 13. Jahrhundert und ist somit auch viel älter als unser heute besuchtes Brauhaus.

Wir gehen durch das Schweizertor weiter auf den Inneren Burgplatz. Rechts sehen wir Reste des einstigen Wassergrabens. Wir gehen nach links in den Durchgang zum Heldenplatz. Wenn wir den ganz linken Eingang wählen sehen wir rechter Hand die letzten Reste des Widmertors.

Wir kehren wieder um und gehen über den Kohlmarkt, der ebenso wie das Widmertor seinen Namen vom seinerzeitigen (Holz-)Kohlenmarkt hat, quer durch die Innenstadt zum Griechenbeisl am Fleischmarkt, dem Anlass entsprechend das angeblich älteste Wirtshaus Wiens (bezüglich der Innenstadt dürfte das auch stimmen, nur der Mayer am Pfarrplatz könnte noch älter sein). Das Lokal bestand zumindest schon 1447, erlebte also ebenfalls noch die Brauerei. Im Eingangsbereich finden wir, neben dem berühmten Lieben Augustin, auch drei eingemauerte Steinkugeln, die aus der Ersten Türkenbelagerung stammen sollen, womit uns die Ursache des Endes des Brauhauses vor dem Widmertor drastisch vor Augen geführt wird.