Währinger Brauerei

Jänner 2017

 

Die Geschichte der Währinger Brauerei dauerte zwar nur knapp 70 Jahre, trotzdem treffen wir hier zumindest vier bekannte Namen aus anderen Brauereien wieder.

1839 kauften Conrad und Theresia Dreher ein Grundstück in der Gegend der heutigen Gentzgasse 59 und errichteten dort ein Brauhaus. Conrad war zuvor schon Braumeister in Wiener Neudorf. Er war ein Sohn Johann Drehers, der wiederum mit dem Dreherschen Urvater Franz Anton verwandt und in dessen Brauerei Schwechat Braumeister war, als dieser noch das Brauhaus im Unteren Werd führte. Theresia Dreher war eine geborene Gierster und ich vermute einmal eine Verwandtschaft zum Besitzer des Gaudenzdorfer Brauhauses Josef Leopold Gierster. Sie starb schon 1842.

 

1844 kaufte Conrad Dreher weiters das sogenannte Halterhaus in Währing (ein ehemaliges Wohnhaus des Gemeindehirten) und vergrößert den Betrieb über die Währinger Straße hinaus. 1845 starb seine zweite Frau Anna und die Brauerei schlitterte in den Konkurs. Kurze Zeit später starb auch Conrad und der Betrieb stand bis 1847 still.

Danach führte der ehemalige Braumeister des Unternehmens, Eduard Alexander Hangleithner die Brauerei weiter. 1853 erwarb Franz Xaver Bosch, den wir aus der Nussdorfer Brauerei kennen, für seinen Sohn Bernhard Franz Bosch das Brauhaus. Aber auch Berhard wäre fast wieder in Konkurs gegangen.

 

Brauhauseingang Währinger Straße
Brauhauseingang Währinger Straße, Illustrierte Kronen Zeitung 10. April 1907, Quelle: ANNO/ÖNB

Die erfolgreichste Zeit der Brauerei begann, als sie 1859 von Carl Wilhelm Schwarz, vermutlich ein Verwandter des letzten Besitzers des vorigen Monats besuchten Hundsturmer Brauhauses, erworben wurde. In den folgenden Jahren erweiterte er die Brauerei sukzessiv, bis sie das gesamte Areal bis zur Schulgasse umfasste. Auf der nördlichen Seite der Gentzgasse entstand ein Braugasthof, dessen Gastgarten bis zur Hainzingergasse reichte. 1868 wurde die Brauerei eine Offene Handelsgesellschaft, Carls Sohn Ludwig Schwarz und Schwiegersohn Josef Wünsch wurden Gesellschafter. 1892 starb Carl Wilhelm Schwarz, in Folge traten weitere Familienmitglieder in die Gesellschaft ein. 1897 konnte man zwar fast 100.000 hl Bier erzeugen, war damit aber zu dieser Zeit nicht mehr in den Top 10 der Wiener Brauhäuser.

Es nahmen aber auch die Probleme zu. Es brannte mehrmals in der Brauerei. 1896 streikten aufgrund der unhaltbaren Bedingungen die Arbeiter, was in der Arbeiter Zeitung wie folgt drastisch geschildert wurde:


Ein Brauhaus ist einer Festung zu vergleichen, in der die Arbeiter Sträflingen gleich gehalten werden, nur mit dem Unterschiede, daß die Sträflinge in puncto Reinlichkeit und Ruhe besser daran sind als die Brauergehilfen. Der Streik im Währinger Brauhaus hat recht schweinische Zustände aus diesem Unternehmen aufgedeckt. So zum Beispiel müssen auf 17 von Schmutz und Ungeziefer starrenden Strohsäcken 24 Personen schlafen.

Zum Reinigen des Körpers werden die Viertelschaffeln benützt, die zum Abtragen des Bieres, respektive des Gebräues bestimmt sind. Wer diese schweinischen Zustände kennt, wird auch ohne Boykott das Währinger Bier nicht trinken. Man ersieht daraus, daß Herr Schwarz gegen das konsumirende Publikum ebenso rücksichtslos ist wie gegen seine Arbeiter.
Arbeiter Zeitung 7. August 1896 Seite 4, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Blick von der Friedhofsrampe
Brauerei, Blick von der Friedhofsrampe
Hauptgebäude Währinger Straße
Hauptgebäude Währinger Straße

Währing Bd. 3, Währinger Heimatkunde, Wien 1925, Seite 702ff

Quelle: Austria-Forum - https://austria-forum.org

Weitere Fotos finden sich unter Süddeutsche Zeitung Photo [Suchworte: Währing+Brauerei].

 

Vor allem aber die Luftverschmutzung durch die Brauerei im immer dichter verbauten Villenviertel schürte den Unmut der Bezirksbewohner. Der Druck wurde schließlich so groß, dass die Eigentümer 1907 das Unternehmen an die Brunner Brauerei AG verkaufen mussten, wobei Josef Wünsch Mitglied des dortigen Verwaltungsrates wurde.

Altes Währinger Brauhaus 20. April 1933
Altes Währinger Brauhaus 20. April 1933, Quelle: Bildarchiv Austria/ÖNB

Die Gebäude der Währinger Brauerei wurde demoliert und das Areal neu verbaut. (Interessant ist, dass die Kronen Zeitung in ihrem damaligen Bericht erwähnte, dass die Währinger Brauerei 1846 von Carl Wilhelm Schwarz gegründet wurde, was beides nachweislich nicht stimmt.) Ludwig Schwarz starb 1912. Josef Wünsch starb 1916, er hatte es zumindest als Gemeinderat und Geschichtsforscher in die Wiener Annalen geschafft. Der Braugasthof blieb unter dem Namen „Altes Währinger Brauhaus“ weiter in Betrieb und wich erst nach dem Zweiten Weltkrieg einem Neubau.

Ungern aber doch muss ich zugeben, dass diesmal wirklich keine einzige Erinnerung an die Brauerei im Straßenbild zu finden ist. Nicht einmal ein Straßenname erinnert an einen der Besitzer, auch eine Bräuhausgasse gab es hier nie. Sogar der Währinger Bach, aus dem das Unternehmen einst das Brauwasser bezog, wurde, fast um die Brauerei gänzlich vergessen zu lassen, unter das Straßenniveau der Währinger Straße verbannt. Nachdem ohnedies nichts zu sehen ist, habe ich mir diesmal auch erspart, Fotos bei Tageslicht zu machen, die Eindrücke bei unserem abendlichen Rundgang sind daher ein bisschen spooky.

Es bleibt uns also nur, das ehemalige Brauereiareal zu umwandern. Wir treffen uns an der Straßenbahnstation Martinstraße der Linie 40 bzw. 41 und gehen die Währinger Straße einen Häuserblock stadtauswärts bis wir am Brauereigelände angelangt sind. Das Hauptgebäude der Brauerei müsste sich nördlich der Währinger Straße befunden haben. Wir umrunden aber zunächst die Nebengebäude wie Mälzerei, Lager, und Stallungen und folgen links der Weimarer Straße und dann der Abt-Karl-Gasse bis wir zur Schulgasse kommen. Nun gehen wir nach rechts bis wir zum Schubertpark kommen, den wir nun durchqueren. Zu Bestandszeiten der Brauerei befand sich hier noch der Währinger Ortsfriedhof, wir können uns also immerhin der Illusion hingeben, dass die Mauer hinter den als Erinnerung verbliebenen ehemaligen Grabstätten von Schubert und Beethoven eine alte Friedhofsmauer und damit gleichzeitig auch eine Grundstücksmauer der Brauerei gewesen sein könnte.

Aus bierhistorischer Sicht interessant ist auch, dass sich im verbliebenen Gräberhain das Grabmal von Vinzenz Neuling, dem ehemaligen Besitzer des Neulingschen Brauhauses, befindet. Das Grabmal ist jedoch nicht frei zugänglich. Wir verlassen den Friedhof über die Rampe zur Währinger Straße und sehen wieder zum Standort des Haupthauses der Brauerei. Der westlichen Grundgrenze können wir nun nicht mehr folgen, wir nehmen daher einen kleinen Umweg über die Argauergasse. Nördlich der Gentzgasse befand sich das Braugasthaus, wir gehen durch die Cottagegasse, die ungefähr der Grundgrenze folgt.

Der Gastgarten reichte angeblich bis zur Haizingergasse, in die wir nun einbiegen. Über die Weimarer Straße kommen wir zur Gentzgasse 59, der ehemaligen Anschrift der Brauerei. Im vis-a-vis gelegenen Nachfolgebau des Braugasthauses Gentzgasse 62 sitzt heute die SPÖ Währing. Die Nachbarhäuser Nr. 58 und 60 sahen zumindest noch das Brauhaus, wenn auch die Brauerei bei deren Errichtung schon geschleift war.

Wenn die Bewohner Währings es schon geschafft haben, „ihr“ Brauhaus erfolgreich zu vertreiben, werden wir für unseren nun folgenden Umtrunk auch den Bezirk verlassen. Wir gehen daher durch die Gentzgasse und Sechsschimmelgasse stadteinwärts. Bei der Lustkandlgasse nehmen wir einen kleinen Umweg über den Bertha-Löwi-Weg. Dieser scheinbar unmotiviert durch den Häuserblock angelegte Durchgang ist der letzte erkennbare Rest des ehemaligen Verlaufs des Währinger Bachs im Stadtgebiet.

Über die Alserbachstraße kommen wir zum Eckhaus Liechtensteinstraße 69, hier finden wir die Beaver Brewing Company. Eine Bierausschankkonzession gab es hier schon Ende des 18. Jahrhunderts, also noch vor der Gründung der Währinger Brauerei. Ab 1889 bestand hier das Lokal „Zur Flucht nach Ägypten“, das auch in Heimito von Doderers Roman „Die Strudelhofstiege“ Erwähnung fand. In den 1980er-Jahren wurde daraus schließlich ein Chinarestaurant. Seit 2015 braut hier nun der 2012 aus Michigan eingewanderte Physik- und Biologie-Lehrer David Beaver in einer kleinen Hausbrauanlage sein eigenes Bier, womit wir den Abend doch noch in einer Brauerei beschließen können.


Quellen

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=W%C3%A4hringer_Brauerei

https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4hring_%28Wiener_Bezirksteil%29#Wirtschaft_und_Infrastruktur

http://www.brauwesen-historisch.de/Oesterreichw.html

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18220910&seite=8&query=Johann+Dreher

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18430112&seite=20&query=%22theresia+Dreher%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18430228&seite=10&query=%22theresia+Dreher%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18431207&seite=13&query=%22halterhaus%22

http://www.bezirksmuseum.at/default/index.php?id=526 (Halterhaus)

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18451105&seite=11&query=%22konrad+Dreher%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18470406&seite=15&query=%22konrad+dreher%22

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18410320&seite=21&query=hangleithner

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=fdb&datum=18531208&seite=13&query=hangleithner

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18580702&seite=26&query=bosch

http://austria-forum.org/web-books/wahring03de1923iicm/000330 (Bernhard Bosch)

http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/56057 (ff)

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18920929&seite=16&query=thyr

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=apr&datum=18820222&seite=13&query=brand

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dvb&datum=18960507&seite=19&query=brand

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dvb&datum=19070213&seite=12&query=brunner

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wmp&datum=19070408&seite=3&query=demolierung

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=krz&datum=19070410&seite=6&query=demolierung

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=hab&datum=19121215&seite=11&query=ludwig+schwarz

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=19160520&seite=9&query=%22josef%2Bw%C3%BCnsch%22

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Josef_W%C3%BCnsch

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wnn&datum=19370123&seite=12&query=brauhaus

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=W%C3%A4hringer_Bach

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=W%C3%A4hringer_Ortsfriedhof

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Schubertpark_(18,_W%C3%A4hring)

https://de.wikipedia.org/wiki/Vinzenz_Neuling

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/656868_Verschwundene-Baeche-unter-Wiens-Strassen.html

http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Alsergrund/Vom%20W%C3%A4hringer%20Bach%20zur%20Schottenpoint

https://www.falter.at/archiv/wp/flucht-nach-aegypten