Gasthaus Zum Fuchsen

Jänner 2018

 

Wer geglaubt hat, die beiden letzten Brauhäuser waren in der Wiener Biergeschichte schon die unbedeutendsten, der sei hiermit eines besseren belehrt. Von der nun folgenden Brauerei habe ich trotz sorgsamer Recherche nur eine einzige Quelle gefunden und da ich damit keine unabhängige Überprüfung der Information durchführen kann, bin ich mir nicht einmal sicher, ob hier tatsächlich gebraut wurde. Da aber für die Vorbereitung dieses Bier Jour fixe ohnedies nicht viel Zeit zur Verfügung stand, wollen wir uns nun auch diesen spärlichen Spuren widmen.

 

Anfang des 19. Jahrhunderts bildete sich an der heutigen Wilhelmstraße eine Siedlung, die origineller Weise „Dörfel“ hieß. 1846 wurde daraus die selbständige Gemeinde Wilhelmsdorf, benannt nach Wilhelm Sedlacek, Probst des Stifts Klosterneuburg, das die Grundherrschaft über das Gebiet innehatte.

 

1836 kam ein gewisser Michel Fuchs aus der Pfalz nach Wien und bewirtschaftete zunächst in der Wilhelmstraße 38 das Gasthaus „Zu den sechs Linden“. 1852 erwarb er vom Wiener Bürgerspital eine nahe Liegenschaft und eröffnete an der Adresse Wilhelmstraße 1 ein neues Gasthaus mit Wirtschaftshof. 

 

Das Gasthaus wurde „Zum Fuchsen“ genannt, das dazugehörige Areal hieß im Volksmund bald Fuchsenfeld. Während sich das Wirtshaus anhand der damaligen Adressbücher zweifelsfrei nachweisen lässt, gibt es keinerlei Erwähnung einer Braustätte. Lediglich in der eingangs genannten einzigen Quelle auf Wien Geschichte Wiki wird angeführt, dass im Wirtschaftshof auch eine Brauerei betrieben wurde. Es könnte daher sein, dass es sich hier lediglich um eine Hausbrauerei handelte, die nur für den Eigenbedarf des Gasthauses Bier herstellte.

 

Ab 1888 scheint Anna Fuchs als Betreiberin des Gasthauses auf, möglicherweise die (verwitwete) Gattin des Michael. Ab 1892 wird ein Anton und ab 1897 eine Marie Fuchs genannt, möglicherweise schon die nächste Wirtsgeneration.

 

Ansonsten finden sich über das Fuchsenfeld eher Einträge, die die Gegend übel beleumundet dastehen lassen. In den Zeitungen wird von streunenden Hunden, Pferdedieben, Sittenstrolchen, Raubüberfällen, Schüssen auf Polizisten und Totschlag berichtet. 

Neuigkeits-Welt-Blatt 30. August 1900 Seite 29
Neuigkeits-Welt-Blatt 30. August 1900 Seite 29, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Die Zwielichtigkeit dürfte geradezu schon sprichwörtlich gewesen sein, wie ein Spottgedicht aus jener Zeit vermuten lässt:

 

Chor der Fuchsenfeld-Pülcher.
(frei nach Schiller)
Ein freies Leben führen wir,
Das ist schon gar nicht ohne,
Das Fuchsenfeld ist’s Hauptquartier,
Bei Nacht, dort operieren wir
Der Polizei zum Hohne.
Und weigert Einer etwa sich,
Mit uns sein Gut zu theilen,
Curieren wir ihn wirksamlich
Mit einem Schusse oder Stich,
Um ihn vom Geiz zu heilen.
Kikeriki, Humoristisches Volksblatt 6. September 1900 Seite 2, Quelle: ANNO/ÖNB

 

Die Brauerei wurde um 1900 wegen Unrentabilität geschlossen. 1906 kaufte die Gemeinde Wien das Areal des Fuchsenfeldes und ließ den Wirtschaftshof abtragen. Auf dem weitläufigen Gelände wurden zunächst eine Straßenbahnremise und ein Schienenlager errichtet. Ab 1922 erfolgte die Bebauung mit monumentalen Gemeindebauten. Der Fuchsenfeldhof und der Edmund-Reismann-Hof gehören damit zu den ersten Gemeindebauten des „Roten Wiens“.

 

Auch wenn von der Brauerei so gut wie nichts bekannt ist, so sind doch vom Eigentümer Michael Fuchs etliche Spuren zu entdecken. Wir beginnen unseren Rundgang am Bahnhof Meidling. Zunächst möchte ich statt etwas Brauhistorischem etwas für Eisenbahninteressierte erzählen. Hier wurde 1887, also noch zu Bestandszeiten der Brauerei, der Inselbahnsteig erfunden. Der damalige eiserne Steg, über den die Bahnsteige zu erreichen waren, ist längst verschwunden. Selbst das Bahnhofsgebäude aus 1841 wurde zwischen 2002 und 2005, trotz Bemühungen des Bundesdenkmalamtes in zu erhalten, abgerissen. Als einziges Relikt aus jener Zeit bestehen heute nur noch die Arbeiterwohnhäuser der Südbahngesellschaft aus 1870. Sie finden wir, wenn wir die Eichenstraße etwas stadteinwärts gehen (Hausnummern 5-23). Seit 2016 stehen sie renoviert und mit „Vorgärten“ versehen einem studentischen Publikum zur Verfügung.

An der Aßmayergasse haben wir das südwestliche Eck des Fuchsenfeldes erreicht. Es nahm einst das Areal zwischen Aßmayergasse, Eichenstraße, Malfatigasse und Steinbauergasse ein. Die Steinbauergasse kennen wir übrigens schon aus der Beschreibung des Hundsturmer Brauhauses. Wir betreten das Fuchsenfeld über die Längenfeldgasse und biegen gleich wieder rechts in die Murlingengasse ein.

 

Bei Hausnummer 16 gehen wir in den Edmund-Reismann-Hof und durchqueren einen Innenhof. Am anderen Ende erreichen wir die Adresse „Am Fuchsenfeld“. Diese scheint jedoch nur noch in den Hausnummern erhalten geblieben zu sein. Als Straßenzug dürfte sie in der Karl-Löwe-Gasse aufgegangen sein. Wir gehen nach links und finden an der Längenfeldgasse als weitere Erinnerungen an den Namensgeber der Brauerei die Apotheke sowie das Cafe „Am Fuchsenfeld“.

Wir wenden uns abermals nach links und betreten bei der Hausnummer Längenfeldgasse 68 der Fuchsenfeldhof. Hier findet sich vorbildlich eine Erinnerungstafel an Michael Fuchs, auch wenn auch hier leider keine Rede von einer Brauerei ist. Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Wand des Hofes 1 finden wir, zwar irgendwie passend aber etymologisch nicht ganz korrekt, einen Brunnen mit Fuchskopf.

 

Wir gehen weiter durch Hof 2 und 3 und verlassen den Fuchsenfeldhof Richtung Karl-Löwe-Gasse. Nun stehen wir vor dem Wilhelmsdorfer Park. Er ist sozusagen der letzte unverbaute Teil des Fuchsenfeldes. Wir durchqueren den Park, sollten uns jedoch noch einmal kurz umdrehen, denn nur so sehen wir den riesigen Schriftzug „Fuchsenfeldhof“, eine weitere Erinnerung an den Brauereigründer im Straßenbild. 

Im Areal nördlich der (gedanklich verlängerten) Deckergasse befand sich einst das Schienenlager der Wiener Linien, das erst 1980 aufgelassen wurde. Die Straßenbahnremise befand sich nördlich der Flurschützstraße (Hausnummer 36), sie wurde 1987 abgerissen.

 

Wir wenden uns aber nach Westen und betrachten das Haus Wilhelmstraße 1. Hier stand das Gasthaus Zum Fuchsen. Das Haus könnte in seinen Grundzügen sogar noch der Originalbau sein. Unser Durst ist aber noch nicht so groß, dass wir an dieser brauhistorischen Adresse im heute hier befindlichen Schnellimbiss einkehren. Wir gehen daher die Wilhelmstraße ein Stück Richtung Südwesten. Am Haus Nummer 8 sehen wir ein Mosaik, auf dem ganz links oben das Wappen von Hundsturm zu erkennen ist, bei der damaligen Spurensuche des Hundsturmer Brauhauses hatte ich das noch nicht gefunden.

Aus historischer Sicht sollten wir nun kurz über die Albrechtsbergergasse in die Rauchgasse gehen. In der Fassade des Hauses Nummer 5 sind die Reste der Wilhelmsdorfer Kapelle eingebaut. Sie wurde, damals noch freistehend, 1827 errichtet und ist daher jedenfalls älter als unsere Brauerei. Über die Pinaglgasse kommen wir wieder zurück zur Wilhelmstraße. Auf Hausnummer 19 möchte ich noch, unserem Thema durchaus verwandt, das Alt-Wiener Schnapsmuseum erwähnen. Der Bau dürfte aus dem 19. Jahrhundert stammen und ist somit ebenfalls ein Zeitzeuge der Brauerei. Weiters finden wir auf Nummer 23 den Beer Store Vienna, womit auch heute noch ein bierisches Highlight in der Gegend vorhanden ist.

Gleich dahinter kreuzt die Dörfelstraße die Wilhelmstraße. Sie ist in Erinnerung an den Siedlungskern, in dem einst die Brauerei entstand, so benannt. Witziger Weise ordiniert heute in der Dörfelstraße 14 ein Gynäkologe namens Dr. Michael Fuchs. Ob er mit dem Namensgeber des Gasthauses Zum Fuchsen verwandt ist, darf aber bezweifelt werden.

 

Seine Dienste wollen wir jetzt nicht in Anspruch nehmen. Wir wenden uns daher lieber Richtung Norden und gehen ca. 1 km bis zur Schönbrunner Straße 253. Hier befindet sich das Lokal Strasser-Bräu, in dem heutige Meidlinger Bierkultur gelebt wird.

 


Quellen

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wilhelmsdorf_(Vorort)

https://de.wikipedia.org/wiki/Fuchsenfeldhof#Geschichte

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/23073

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/276080

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/24926

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/38376

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/56546

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/65156

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/77940

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=aze&datum=19260915&seite=7&query=fuchs

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=18760510&seite=22&query=linden

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Fuchsenfeld_(12)

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vtl&datum=18920826&seite=5&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwb&datum=18930625&seite=10&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dvb&datum=18940629&seite=8&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=mbz&datum=18940715&seite=3&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18970728&seite=17&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nfp&datum=18990215&seite=20&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=aze&datum=19000826&seite=6&query=fuchsenfeld

http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wmj&datum=19010603&seite=1&query=fuchsenfeld

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelmsdorfer_Park#Geschichte

https://www.wienerwohnen.at/hof/150/Fuchsenfeldhof.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Bahnhof_Wien-Meidling

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Arbeiterwohnh%C3%A4user_(12)

https://www.meinbezirk.at/meidling/lokales/studenten-beleben-meidlinger-backsteinbauten-d1527460.html

http://www.arzneishop.at/fuchsenfeld/index.php?apofuchs

https://www.wien.gv.at/umwelt/parks/anlagen/wilhelmsdorfer.html

https://www.wien.gv.at/kulturportal/public/grafik.aspx?bookmark=L2dERg5C8EUbXFBEfEaoQxwpAtZGVBFvuBteomRQ3w-b-b

http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1512542

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wilhelmsdorfer_Kapelle

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alt-Wiener_Schnapsmuseum

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/D%C3%B6rfelstra%C3%9Fe

https://www.mednanny.com/arzt/Frauenheilkunde-und-Geburtshilfe/1120-Wien/Dr.Michael-Fuchs