Altausseer See 7. Februar 2011

 

Super Bowl. Traditioneller Weise wird das Finale der US-amerikanischen Footballliga NFL am ersten Sonntag der Wiener Semesterferien ausgetragen, damit die Wiener Kinder zeitverschiebungsbedingt in der Nacht fernsehen und am nächsten Tag ausschlafen können. Diesmal war keine Wiederholung im Fernsehen angesetzt, ein Aufnehmen aufgrund des Schiurlaubs nicht möglich und Felix und ich blieben erstmals wirklich bis 4 Uhr in der Früh auf. Die Green Bay Packers gewannen gegen die Pittsburgh Steelers mit 31 zu 25.

 

Schifahren war jedenfalls am nächsten Tag nicht die beste Idee. Ich las im Urlaub gerade das Buch von Haruki Murakami „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“. Er schrieb darin u. a., dass er immer wieder, bei ihm ist es ein Flussufer, am Wasser trainiert: „Anscheinend ist es für den Menschen wichtig, in seinem Alltag große Mengen Wasser zu sehen.“ Mich zog es auch wieder zum Wasser und so konnte ich die Zeit für eine Seeumrundung nutzen. Wir wohnten etwas außerhalb von Bad Aussee. Da eine Runde um den Altausseer See ohnedies nicht allzu lang war, wollte ich gleich vom Appartement weglaufen und hätte so eine schöne Trainingseinheit. Grundsätzlich wäre natürlich ein Lauf um den See im Rahmen des Narzissenlaufs eine viel bessere Idee. Aber wer weiß, ob ich da gerade wieder her kommen würde.

 

Altausseer See

Das Wetter war die ganze Woche traumhaft. Blauer Himmel, schneebedeckte Berge und angenehm warm, aber nicht so arg, dass der Schnee dahinschmelzen würde. Eigentlich ideale Winterlaufbedingungen. Ich lief ein Nebenstraßerl Richtung Altaussee. Beim Versuch einen direkten Seezugang zu bekommen handelte ich mir nur ein paar unnötige Höhenmeter ein, hatte aber gleich einen schönen Ausblick auf den Dachstein und machte ein paar Fotos. Da die Wanderwege zu verschneit waren kam ich bald wieder auf die Straße nach Altaussee zurück. In Altaussee bog ich in eine Wohnstraße ein und erreichte beim Hotel Seevilla die Seerunde. Pflichtbewusst drückte ich auf die Zwischenzeittaste, um die Laufzeit um den See messen zu können.

 

Bis jetzt war der Weg angenehm breit und geräumt und ich stellte mich auf eine lockere Runde ein. Ca. ab dem Strandcafe war aber Schluss mit lustig. Die Schneeräumung endete und der Weg ging in einen Trampelpfad über. Da ich vorerst am Südufer lief, das voll im Schatten lag, war dieser Trampelpfad komplett vereist. Trotz Traillaufschuhe glich das Folgende mehr einem Eierlauf.

 

Bald kam ich an eine Stelle, wo der Weg wegen Lawinengefahr gesperrt war. Ich erinnerte mich, dass wir bei unserem letzten Schiurlaub in dieser Gegend im Jahr 2007 mit den Kindern hier spazieren waren. Trotz eines „schneefreien“ Winters war damals auch eine Lawinensperre verhängt. Wir gingen ein bisschen in das Sperrgebiet hinein, das Gefühl, v. a. mit Kindern, wurde aber immer komischer und wir drehten bald um. Diesmal wollte ich aber nicht umkehren. Anfangs überlegte ich noch, was ich bei einem undefinierbaren Grollen wohl machen sollte. Bald überwiegte jedoch die Erkenntnis, dass der Weg ja nur dann ausgetreten sein konnte, wenn auch andere Menschen unterwegs waren und ich konzentrierte mich mehr darauf, nicht auszurutschen und auf die nicht mehr so tragfähig wirkende Eisfläche des Sees zu stürzen.

Altausseer See

 

Am hinteren Ende des Sees machte ich wieder ein paar Fotos. Jetzt fiel mir ein, dass ich ja bei allzu vielen Unterbrechungen nicht nur die Nettozeit, sondern auch die Bruttozeit stoppen wollte. Das machte ich üblicherweise so, dass ich am Ende der Laufrunde eine neue Stoppung startete. Die Differenz zwischen den beiden Startzeiten wäre dann die Bruttozeit. Wenn ich aber die Bruttozeit der eigentlichen Seenrunde auch wissen wollte, hätte ich schon bei der Seevilla eine neue Stoppung starten müssen. Sicherheitshalber begann ich nach der Fotopause eine neue Zeitnehmung, irgendwie würde ich nachher schon alles zurückrechnen können.

 

Mittlerweile kamen mir auf dem schmalen Pfad immer mehr Spaziergeher entgegen. Grundsätzlich wäre ich schon auch ausgewichen, dann aber mit möglichst wenig Zeitunterbrechung. Ich müsste also immer bis ganz kurz vor den Gegenverkehr laufen und dann in den Schnee steigen. So gute Nerven hatten meine Gegner aber nicht und flüchteten immer schon vorher. Teilweise hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen, ältere Damen in den teilweise sehr hohen Schnee neben dem Singletrail klettern zu lassen. Aber es beschwerte sich niemand und es grüßten auch immer alle nett zurück.

 

Einmal kam mir ein Frauchen mit Hund entgegen. Der Hund lief ob der ungewöhnlichen Bodenbeschaffenheit ganz aufgeregt herum und wich mir natürlich nicht aus. Im Entgegenkommen touchierte er mich richtig. Ich mag es im Allgemeinen ja nicht, wenn ich beim Laufen von Hunden attackiert werde, in dieser Situation fühlte ich mich aber trotz Kontakt völlig sicher.

 

Am hinteren Ende des Sees führte der Pfad in einem leichten Bogen etwas vom See weg. Nun kam ich in die Sonne und es war wenigstens das blanke Eis vorbei. Das Laufen war aber immer noch schwierig genug. Ich bedauerte fast, dass ich die Landschaft so wenig genießen konnte, da meine Blicke ständig auf den Pfad unmittelbar vor mir gerichtet sein mussten.

 

Danach wurde es eng. Der Loser reichte hier ganz nah an den Altausseer See heran und stieg in einer steilen Felswand an. Hier gab es dann zusätzlich zur Lawinensperre noch ein Schild: „Achtung Steinschlag. Begehen auf eigene Gefahr.“ Wie krank war das denn? Wenn dich hier wirklich ein Stein, der vom Loser herunterfliegt, trifft, so wäre dies mit ziemlicher Sicherheit letal. Das klang für mich dann ungefähr so: „Das ist ein Weg für richtige Männer. Nur Weicheier kehren um!“ Angesichts der hohen Pensionistenrate im Salzkammergut etwas eigenartig.

 

Nach jeder Wegbiegung wurde das Panorama atemberaubender. Ich blieb immer wieder stehen um zu fotografieren. Ich hoffte schon, dass es endlich schircher wird, denn diese ewigen Unterbrechungen gingen mir schon auf die Nerven, aber ich wurde immer wieder enttäuscht. Irgendwann merkte ich, dass ich vergessen hatte die Uhr nach einer Fotopause wieder zu starten. Dass bedeutete nachher zu Hause eine (im wahren Wortsinn) stundenlange Beschäftigung, um anhand der vorhandenen Start- und Zwischenzeiten, der Knicke in der Pulskurve und der Exif-Daten der Fotos ein vollständiges Weg/Zeit-Diagramm zur erstellen. So fand ich heraus, dass ich ca. 2 min nicht mitgestoppt hatte. Das hätte ich ohne lange Berechnungen so auch geschätzt.

 

Kurz vor Altaussee kam ich wieder auf eine geräumte Straße. Vor der Kirche bog ich in einen Fußweg am See ein. Ich kam vorbei an der Bierzeltwiese, hier veranstaltet die Freiwillige Feuerwehr Altaussee am ersten Septemberwochenende einen „Kiritog“. Das Fest dauert drei Tage, ist das größte Zeltfest Österreichs und hat angeblich einen höheren pro Kopf Verbrauch an Bier als das Münchner Oktoberfest. Erfolgsfaktoren sind v. a. die traditionelle Zeltbauweise mit Holzstangen und der Verzicht auf Lautsprechermusik. Am Montag, wenn die Wiener weg sind, feiern die Einheimischen unter sich und das Fest geht erst so richtig los. Durch die hohen Einnahmen kommt die Feuerwehr in die kuriose Situation, nicht mehr von anderen finanziellen Unterstützern abhängig zu sein. Aber ich schweife ab.

 

Kurze Zeit später war ich wieder am Ausgangspunkt zurück. Nun lief ich wieder zur Straße nach Bad Aussee und ließ die Blicke über die netten Häuser schweifen. Durch diese Unkonzentriertheit merkte ich nicht, dass ich auf eine zum Straßenrand hin schräg ansteigende Eisplatte stieg, rutschte weg, säbelte mit dem einen Bein fluchs das andere um und lag im nächsten Augenblick flach auf der Straße. Zum Glück konnte ich den Sturz mit der Hand im Schneehaufen am Straßenrand abfangen und kam so ohne blaue Flecken davon. Da war ich Kilometer über buckeliges Eis gelaufen und dann haut es mich auf einer geräumten und gestreuten Straße hin.

 

Angesichts der Wegbeschaffenheit am hinteren Teil des Sees, ließ ich nun meinen Plan, in dieser Woche auch noch um den Grundlsee zu laufen wieder fallen. Hier waren zumindest auch einige Kilometer Wanderweg dabei und der wäre wohl noch schlechter begehbar als hier. Den Rest des Tages verbrachten wir dann in der neuen Grimming Therme in Bad Mitterndorf. Mitten im Februar knotzten wir im Freien im warmen Wasser in der Sonne und bestaunten das herrliche Bergpanorama. Jawohl!