Klosterbräu Sankt Theobald

Dezember 2015

 

Beim zuletzt besuchten Gumpendorfer Brauhaus gab es eine Theorie, dass es 1529 als Klosterbrauerei gegründet wurde. Vielleicht hängt diese Version ja mit der diesmaligen Spurensuche zusammen. Auf der Laimgrube befand sich nämlich ein Kloster mit angeschlossener Brauerei. Von dieser Brauerei weiß man aber nicht mehr viel, schauen wir daher zuerst einmal, was es mit dem Kloster auf sich hat.

 

Wappen Laimgrube
Quelle: Wikimedia Commons

1343 errichtete Albrecht II. an der Weggabelung Windmühlgasse/Mariahilfer Straße eine dem Heiligen Theobald geweihte Kapelle. 1349 baute man im heutigen Häuserblock Theobaldgasse/Fillgradergasse/Capistrangasse/Wind­mühlgasse dazu ein Versorgungshaus für adelige Witwen, das 1354 zum Clarissinenkloster Stankt Theobald wurde. Der Heilige ist heute noch im Wappen der Laimgrube bzw. des 6. Bezirks verewigt.

1451 weilte der Buß- und Wanderprediger Johannes Capistran in Wien. Seine Predigten wollten so viele Wiener hören, dass ihm vor dem Stephansdom eine hölzerne Kanzel gebaut wurde, deren steinerne Nachbildung heute am Chor des Domes steht. Friedrich III. schenkte ihm daraufhin das Theobaldkloster und Capistran wandelte es in das erste österreichische Franziskanerkloster um.

Am 25. September 1529 wurde das Kloster bei der Ersten Türkenbelagerung zerstört. Danach lag das Areal lange Zeit brach. Erst 1562 wurde in der heutigen Capistrangasse 10 eine Windmühle gebaut und es siedelten sich einige Häuser an. 1621 schließlich errichtete Ulrich Khertenkhalch wieder eine Theobaldkapelle. 1673 gründeten die Karmeliter ein Kloster Sankt Theobald und auf der heutigen Mariahilfer Straße 27 eine Kirche, womit sich die Geschichte sozusagen wiederholte.

 

Neue unnd alte Josefskirche 1907
Neue und alte Josefskirche 1907, Quelle: Wikimedia Commons

Kloster und Kirche wurden 1683 während der Zweiten Türkenbelagerung abermals zerstört. 1687 begann der Wiederaufbau, Kaiser Joseph I. legte den Grundstein für eine neue Kirche, die deshalb dem Heiligen Josef geweiht wurde. 1784 wurde das Kloster im Zuge der Reformen Josef II. aufgehoben. Er übertrug das Gebäude dem Militär, 1804 wurde es eine Besserungsanstalt, 1881 ein Polizei­gefangenen­haus. Die Kirche wurde zur Pfarrkirche erhoben. Am Beginn des 20. Jahrhunderts behinderte ihr Standort auf der Mariahilfer Straße zunehmend den Verkehr, weshalb sie 1906/1907 in der Windmühlgasse 3 in fast unveränderter Form am Gelände des seinerzeitig angeschlossenen Klosters neu errichtet wurde. Damit ist die Josefskirche, wenn man so will, das letzte Andenken an die seinerzeitigen Brauherren des Klosters Sankt Theobald.

 

Lässt sich die Geschichte des Klosters noch relativ leicht rekonstruieren, so findet man kaum Quellen, die belegen, dass im Kloster auch gebraut wurde. Eine davon ist die Sage vom Braumeister auf der Laimgrube. Auch wenn es eine Sage ist, so lässt doch die Beschreibung der Brauerei zumindest deren Existenz glaubhaft erscheinen. Die Geschichte spielt in jenen Septembertagen der Ersten Türkenbelagerung, nachdem die Vorstädte aus strategischen Gründen niedergebrannt wurden:

 

Hier an der Bayrischen Landstraße [Mariahilfer Straße] wollt' der Salm [Befehlshaber der Verteidigung Wiens] die Verbindung mit Innerösterreich so lang wie möglich aufrechterhalten, hat zu diesem Zweck in das Kloster der Franziskaner zu Sankt Theobald und das benachbarte Brauhaus ein Fähnlein [Unterregiment] Musketiere gelegt, um den Weg zu bewachen. Am zwanzigsten September sind die ersten Späher der Türken an der ungarischen Grenz' erschienen. Der Salm hat daraufhin alle seine Kräfte in die Stadt gezogen, auch die paar Häuser auf der Laimgrube sollten tags darauf geräumt und angezündet werden. Traurig sind die zweihundert Mönche durch ihr Kloster gewandert, das ihnen so lang Zuflucht vor der Welt hat geboten. [...] Mit nicht geringerem Kummer hat aber auch der Braumeister Sebastian Ingram die weniger heiligen Räume durchschritten, in denen er nun schon seit dreißig Jahren sein gut' Bier hat gebrauet. Als junger Bursch ist er anno 1499 von Böhmen gekommen, wo er das Brauen nach dortiger Art hat gelernet, hat vom Theobaldkloster das alte Brauhaus gepachtet. [...] Hat sich sehr bald herumgesprochen, daß im Klosterbräu zu Sankt Theobald ein besonders gutes Bier zu haben wäre, die alte Stube ist immer überfüllt gewesen, der Ingram hat einen Stall dazu gepachtet, aus dem er eine richtige Wirtsstube hat machen lassen, und zuletzt auch vom Klostergarten den Teil, so sich gegen den Wienfluß senkt, hat dort Bänke und Tische aufstellen lassen. So haben die Gast' die schöne Aussicht gehabt über die Wieden hin bis zum Wienerberg und über die Landstraße und auch über den Teil der Stadt, so gegen Westen ist gelegen, das Bier ist gut gewesen und das Geschäft noch besser, und nach zehn Jahren hat der Ingram das Brauhaus samt Zubehör vom Kloster käuflich erworben. Eine neue Sudpfann' hat er daraufhin aufgestellt, die das Doppelte, von der alten gefaßt hat, auch die alten Maisch- und Gärbottiche sind erneuert worden, und in die Keller, die sich wie des Königs Minos Labyrinth weit unter den Klostergarten haben hingezogen, sind zu Dutzenden neue Lagerfässer gerollt — der Ingram hat ein Geheimrezept gehabt, nach dem sich das Bier bis zu zwei Monaten hat gehalten, ohne zu brechen. War dazu wohl sehr viel Eis nötig, aber auch dafür hat der Ingram gesorgt, hat sogar im Sommer, wo doch sonst das Brauen ruht, ein frisches Bier herstellen können. Und das alles sollt' nun in einer Nacht verlorengehen.

Der Braumeister von der Laimgrube, Theodor Heinrich Mayer, Wiener Verlag 1946 Quelle: www.bezirksmuseum.at

 

Die Brauerei müsste demnach schon etliche Jahre vor 1499 bestanden haben. Das Brauhaus würde neben dem Kloster am Abhang zum Wienfluss, also etwa an der Fillgraderstiege, gelegen sein. Es hätte zumindest bis 1529 bestanden, möglicherweise aber auch länger, da es am Ende jener Geschichte nicht zerstört wurde. Dann könnte es auch im Bereich der heutigen Rahlgasse gewesen sein, da ein dortiges Gebäude das später als Pfarrhof von Sankt Theobald genutzt wurde, das einzige der Gegend war, das die Erste Türkenbelagerung überstanden hatte. Dafür spricht auch, dass ein Brauhaus „Zum goldenen Metzen“ bekannt ist und ein Getreidespeicher, der bis 1900 in der Rahlgasse 3 stand, den gleichen Namen trug. Es wäre also auch gut möglich, dass das Brauhaus im Zuge seiner Geschichte vom Kloster bis hierher gewandert ist.

 

Wir beginnen unsere Besichtigung auch gleich hier am unteren Ende der Mariahilfer Straße. Die Rahlstiege überwindet jenen Abhang, an dem der Klostergarten lag. Weitere Relikte dieser Geländekante sind die Königsklostergasse (früher Bettlerstiege), die Fillgraderstiege, die Neue Capistranstiege, die Stiegengasse und schließlich die Stützmauer der Windmühlgasse bei deren Einmündung in die Gumpendorfer Straße.

Straßenschild Theobaldgasse

Im jetzigen Haus Rahlgasse 3 war bis 1994 die Tarifabteilung der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe untergebracht und ich hätte mir in meiner Studentenzeit auch nicht gedacht, dass ich mich am Ort eines ehemaligen Brauhauses um meinen Freifahrtsausweis anstelle. Wir gehen nun die Mariahilfer Straße hinauf und kommen nach der Nr. 25 zu jener Weggabelung, die einst Keimzelle des Klosters war. Das Klosterareal wird nun umrundet und wir biegen in die nach ihm benannte Theobaldgasse ab. An der Linksbiegung sehen wir mit dem Theobaldhof einen weiteren Namenszeugen. Gegenüber im Laurel Leaf bietet sich mit einem Affligem Blonde die Möglichkeit, am Klostergrund ein Klosterbier zu trinken (bereits ab 1084 wurde in der dortigen Abtei gebraut). Gestärkt gehen wir nun den „Abhang“ über die Fillgraderstiege, die 2004 zur viertschönsten Treppe Europas gewählt wurde, und biegen recht in die Fillgradergasse ein.

Straßenschild Capistrangasse

Gleich kommen wir zur Capistrangasse und steigen die Neue Capistranstiege wieder hinauf. Gasse und Stiege sind naheliegender Weise nach dem Klostergründer benannt. In der Windmühlgasse gehen wir wieder nach rechts und kommen zum letzten Erinnerungsstück, der Josefskirche. Im Eingangsbereich finden wir etliche Schautafeln zur Geschichte der Kirche, u.a. mit einem Lageplan des alten Klostergebäudes. Wir drehen nun wieder um und gehen die Windmühlgasse stadtauswärts. Bei der Hausnummer 20 biegen wir in den Raimundhof und durchqueren über weitere Stiegenanlagen das Durchhaus zur Mariahilfer Straße. In einem Schaukasten im Durchgang wird für das Bezirksmuseum Mariahilf geworben, wodurch wir hier auch das Bezirkswappen mit dem Heiligen Theobald im Straßenbild finden können.

Den Abend beschließen wir im Siebensternbräu in der Siebensterngasse 19. Diese Wirtshausbrauerei wurde zwar erst 1994 gegründet, liegt aber in einem alten Barockhaus und verströmt so vielleicht am ehesten das Ambiente des alten Klosterbräus Sankt Theobald.