Männerlauf

Plitvice Marathon 2. Juni 2012

 

Als wir 2009 zuletzt bei den Plitvicer Seen waren, fanden wir eigenartige Bodenmarkierungen: ... 40, 41, 42 ... Der Verdacht war schnell bestätigt, dass hier ein Marathon stattfindet. Nachdem ich damit das Marathon Laufen mit Seen Umrundungen verbinden konnte, war schnell klar, da will ich auch einmal laufen.

 

Die Plitvicer Seen gehören für mich zu den schönsten Stückchen Heimat. Man verzeihe mir, dass ich dabei den Begriff Heimat etwas weiter fasse. Ich will auch nicht zurück in die Zeit, in der die Plitvicer Seen Teil der Monarchie waren. Im Gegenteil, Grenzen sollten nicht so viel bedeuten und deshalb ist es umso schwerer zu verstehen, dass ein Scharmützel in dieser wunderschönen Gegend 1991 zum Ausbruch des Kroatienkrieges führte.

 

Die 16 kaskadenförmig angeordneten Seen in ihrer türkisen Färbung, die über eine Unzahl von Wasserfällen miteinander verbunden sind, sind auf jeden Fall ein einzigartiges Naturschauspiel. Die Seen bildeten sich durch Kalkablagerungen, die hier aufgrund der speziellen Bedingungen ähnlich wie Tropfsteine entstehen und natürliche Barrieren im Flussbett bilden. Früher wurde diese Gegend aufgrund ihrer Unzugänglichkeit Teufelsgarten genannt. Eigentlich ideale Voraussetzungen, für einen Marathon.

 

Für dieses Jahr war ursprünglich der Salzburg Marathon geplant. Dann kam mir aber im Schiurlaub ein Funpark mit Sprunghügeln und einer daraus folgenden Handgelenksverletzung und Trainingspause dazwischen und ein möglicher Marathonstart wurde in den Frühsommer verschoben. Auf der Suche nach Alternativen stieß ich wieder auf Plitvice. Leider waren Conny und Paula schon für den am gleichen Wochenende stattfindenden Frauenlauf angemeldet und ein Familienurlaub ging sich damit nicht mehr aus. Da Felix den Frauenlauf sowieso sexistisch findet, war schnell klar, wenn die Frauen im Prater laufen fahren die Männer nach Kroatien.

 

Plitvice Marathon 2012

Nachdem der Lauf am Samstag stattfindet, war eine Anreise am Freitag nötig. Für Felix hatte ich damit zuerst eine Schulfreistellung zu erwirken. Dann noch ein Hotel finden. Im Nationalparkzentrum und damit direkt bei Start und Ziel gibt es drei Hotels, die aber auf der Homepage kurzfristig nicht mehr zu buchen waren. Ich fand dann dennoch über ein Buchungsportal in einem der Hotels ein (möglicherweise künstlich verknapptes) letztes Zimmer um knapp 100 € pro Nacht, was ganz ok war. Ein Schnäppchen war jedenfalls die Startgebühr. Für umgerechnet 20 € bekommt man neben der obligatorischen Marathonverpflegung ein Finishershirt, einen Gutschein für die Pastaparty, ein Essen nach dem Marathon sowie einen Eintritt in den Nationalpark, der allein schon 15 € wert ist. Der Marathon ist damit eigentlich gratis.

 

Bei der Vorbereitung sah ich gleich einmal, dass es sich um keinen normalen Marathon handelt, gab es doch einige Höhenmeter zu überwinden. Wie arg es werden würde, konnte ich noch nicht einschätzen. Sicherheitshalber lief ich aber im Training ein paar Mal am Bisamberg herum. Auf Marathon Austria suchte ich nach Läufern die schon mal in Plitvice gelaufen waren, verglich die Zeiten mit flachen Strecken und kam zum Schluss, dass +30 min aufgrund des Profils für mich eine realistische Vorgabe sein könnten.

 

Die Anreise war problemlos. Eigenartig war nur der Zollbeamte, der bei der Einreise nicht nach mitgebrachten Waren fragte, sondern: "Wie alt bist du?" Gerade dass ich nicht antwortete: "M45." Bei Zagreb gab es einen Wolkenbruch. Im Autoradio wurde, soweit mich meine nicht vorhandenen Kroatisch Kenntnisse vermuten ließen, der Wetterbericht durgegeben. Die Moderatoren hatten dabei recht viel Spaß und entschieden, im Anschluss daran die passenden Lieder zu spielen:

I'm Singin' in the Rain

Raindrops Keep Falling on My Head

Stormy Weather

 

Bei der Ankunft in Plitvice war es wieder trocken und es kam sogar ein wenig die Sonne durch. Sicherheitshalber suchte ich gleich nach einem Nudelgericht. Dann fuhr ich noch den ersten Teil der Strecke ab, um mir ein Bild von den Steigungen zu machen. Das konnte ja heiter werden! Ich fand auch wieder Bodenmarkierungen, der Streckenverlauf schien mir aber nicht immer eindeutig zu sein. Zur Sicherheit beschloss ich, mir einen Plan der Strecke mitzunehmen. Bei der Startnummernabholung konnte ich die Starterliste studieren. Ich sah die Chance, drittbester Österreicher zu werden. Es waren aber auch nur drei am Start. Danach löste ich den Pastaparty-Gutschein ein und bekam das gleiche Nudelgericht wieder. Zweimal Pasta asciutta an einem Tag, was tut man nicht alles zur Kohlehydrateinlagerung. Den Abend verbrachten wir, männergemäß, mit Fußball schauen.

 

Am nächsten Morgen hörte ich beim Aufwachen mal keinen Regen, ein gutes Zeichen. Beim ersten Blick aus dem Fenster sah ich aber Nebelschwaden in den Bergen hängen. Da musste ich heute noch durch, die Verirrungsgefahr wurde damit noch größer. Bis zum Start verschwand aber auch der Nebel und es herrschte eigentlich optimales Laufwetter.

 

Felix war für den parallel stattfindenden 16-km-Lauf angemeldet. Nachdem er vor drei Wochen seinen ersten Halbmarathon erfolgreich beendet hatte planten wir, die ersten 14 km, bis sich die beiden Strecken trennten, gemeinsam zu laufen. Der Start sollte um 9 Uhr 30 erfolgen, zu dieser Zeit herrschte aber noch gepflegte Unordnung. Der Platzsprecher sagte zwar dauernd jede Menge durch, für mich leider unverständlich. Kurz vor drei viertel 9 Uhr wurde jedoch die kroatische Hymne abgespielt und kurz darauf ging es los. Da es bei dem Lauf nur eine Bruttozeitnehmung gab (und das ohne Chip) war es nicht unvorteilhaft, weiter vorne zu stehen. Bei nur 231 Marathonläufer und 445 16-km-Läufer, wären die Auswirkungen aber ohnedies gering gewesen. 5 min später starteten noch der 5-km-Lauf. Trotz des kleinen Starterfeldes ist der Plitvice Marathon aber gewissermaßen eine Traditionsveranstaltung, 2012 war es immerhin schon die 27. Auflage.

 

Die ersten 7 km ging es auf der gesperrten Nationalstraße 1 einmal kräftig hinunter, ca. 200 Höhenmeter. Bergab ließ ich es vorsichtig, aber doch schön rollen. Felix wurde es bald zu schnell, ich ließ ihn zurück und hatte ein schlechtes Gewissen. Vor mir lief nun ein Barfußläufer. Diese sind für mich ja sowieso völlig unverständlich. Ich hätte nach 100 m meine Haut durchgescheuert, nach 1 km würde ich bereits am Knochen laufen. Der Barfußläufer versuchte immer am Mittelstreifen zu laufen, vermutlich, weil es hier glatter war. Das ging nun auch wieder nicht, wenn schon barfuß, dann aber richtig!

 

Nach 5 km gab es die erste Labe. Kinder reichten kleine Flaschen Mineralwasser. Überhaupt war die Verpflegung sehr ordentlich. Bei km 7 führte eine Brücke über die Korona, den Fluss, der den Ablauf der Seen bildet. Dann zweigte ein kleines Straßerl spitz ab, es ging nun am anderen Ufer der Schlucht zurück, das erste Mal bergauf. Zuerst waren auf 3 km ca. 170 Höhenmeter zu überwinden. Das war noch ganz gut zu laufen. Ich wollte mich aber nicht schon so früh ruinieren und lief sehr langsam. Hatte ich bergab noch eine Pace von 4:45 so war sie jetzt über 7:00. Ständig überholten mich Läufer. Ich tröstete mich, dass das wohl alles 16-km-Läufer wären. Dann schoss aber auch ein alter Mann mit einer Marathonnummer an mir vorbei und ich begann mich zu fragen, ob ich nicht irgendetwas falsch mache.

 

Plitvice Marathon 2012

Nach dem ersten Anstieg ging es wellig weiter. Ich kreuzte die Plitvica, das Flüsschen, das über den Großen Wasserfall in die Schlucht zu den Seen hinab stürzt. Hier gäbe es theoretisch auch einige schöne Aussichtspunkte, die konnte ich aber nur am Vortag erkunden, jetzt beim Lauf, waren sie von der Straße aus nicht zu sehen. Bei der Abzweigung der 16-km-Strecke drehte ich mich nochmal nach Felix um, fand ihn aber nicht mehr, offensichtlich war er bergauf auch nicht schneller als ich. Auf der Marathonstrecke war es nun eher einsam, nur noch gelegentlich sah ich vor mir andere Läufer. Angst mich zu verirren musste ich aber trotzdem nicht haben. Zusätzlich zu den Bodenmarkierungen, die ich am Vortag gefunden hatte, waren nun auch Kilometertafeln aufgestellt und an allen kritischen Punkten standen vorbildlich Wegweiser.

 

Jetzt begann der zweite schwere Anstieg. Die Strecke führte weg von den Seen durch einen Wald bergauf. Über eine Strecke von 5 km waren 260 Höhenmeter zu überwinden. Dachte ich mir bei der ersten Welle noch, ob nicht Gehen die effizientere Variante sei, war mir nun von einem Schritt auf den anderen ohne zu überlegen klar, mit dem Laufen aufzuhören und zu gehen. Immerhin sah ich auch andere, die es mir gleich taten. Ich empfand es aber nicht unbedingt als Niederlage, ich machte mir vor, selber bestimmen zu können, ab welcher Steigung ich gehe und es mir nicht von meiner Erschöpfung vorgeben lassen zu müssen. Ich freute mich, wenn ich Stücke laufen konnte, wo andere noch gingen. Zumindest blieb ich, trotz Gehpausen immer noch unter 8:00 pro km.

 

Der Aufstieg zog sich ewig. Bei km 19 war der höchste Punkt erreicht. Hier gab es wieder eine ordentliche Verpflegung. Außer Wasser gab es auch Obst, Würfelzucker (!) und Cedevita. Dieses Brausepulver, Lieblingsgetränk meiner Kinder bei vielen Kroatienurlauben, wurde so zu einem richtigen Energydrink geadelt. Ich langte kräftig zu, nur den Zucker traute ich mich nicht und nahm auch eine Wasserflasche mit, die ich nach ein paar hundert Metern leer wieder wegwarf. Eigentlich ein Wahnsinn in einem Nationalpark, aber ich war nicht der einzige und es wurde auch brav alles wieder eingesammelt. Trotz meines Schonganges fühlten sich meine Beine schon sehr matschig an. Und das bei km 19! Das folgende Bergabstück brachte zwar etwas Erholung, aber mein Schritt war schon recht unrund. Hier war der Weg zwar auch asphaltiert, war aber an vielen Stellen schon recht ausgewaschen, das war der einzige Teil wo man beim Laufen etwas aufpassen musste.

 

Vom Berg herunten kam ich zum ersten Mal wirklich an einen See. Auf den ebenen Stücken konnte ich jetzt auch nicht mehr schneller als 6:00 pro km rennen. Jetzt freute ich mich auf die nächste Labe bei km 27, weil da hatte ich mir das erste Gel vorgenommen. Als sie endlich in Sicht kam ging ich wieder ein paar Meter, um mir in Ruhe die Weltraumnahrung in den Mund zu drücken. Nun ging es wieder ein Tal hinauf zu einem Umkehrpunkt. Das waren zwar nur ca. 70 hm auf 3 km, für mich aber ein richtiger Berg. Dass mittlerweile die Sonne heraußen war, machte das Ganze auch nicht leichter. Kaum wurde es nur ein bisschen steil, ging ich wieder. Ich fand das aber echt stressfrei, mir die Freiheit nehmen zu können, auch hin und wieder ein paar Schritte gehen zu dürfen. Bei meinem ersten Marathon, wo es mir auch nicht wahnsinnig gut ging, war das letzte Ziel, das ich erreichen wollte, nur nicht gehen zu müssen und ich kroch wie in Trance dahin. Vielleicht hat die Galloway-Methode doch etwas Brauchbares an sich, denn verglichen mit den anderen Mitstreitern in meiner Umgebung holte ich die verlorene Zeit beim Laufen sehr rasch wieder ein.

 

Die Läufer die mir entgegenkamen sahen alle sehr schnell aus, so wie die, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Die waren aber eigentlich nur 6 km vor mir. So schlecht war ich also auch wieder nicht unterwegs. Einer dieser Läufer feuerte uns nach oben Watschelnden kräftig an. Das fand ich sehr anständig und hilfreich, selber hatte ich keine Energie mehr für Interaktionen. Am Umkehrpunkt wurden die Nummern der Läufer kontrolliert. Nun kamen mir die entgegen, die hinter mir waren, das waren immerhin auch noch ein paar und das motivierte wieder ein bisschen. Am Ende der Schleife war wieder Gel- und Gehpause angesagt.

 

Nun kam das schönste Stück der Strecke, immer am Prošćansko jezero, dem größten der Oberen Seen entlang. Nur bekam ich von dieser Schönheit kaum noch was mit, ich war viel zu sehr mit Laufen beschäftigt. Ich hatte jetzt eine für mich passende Technik gefunden. Ich lief so ähnlich wie diese kleinen Plastikeselchen aus meiner Kindheit, die an einer Schnur mit einem kleinen Gewicht hingen. Stellte man die Tiere auf einen Tisch und legte das Gewicht über die Tischkante fingen die beweglichen Beine automatisch zu Laufen an. Irgendwie würde ich mich so schon bis km 40 schleppen können. Dann musste ich nur noch 2 km zum Ziel beim Parkeingang hinauf und die könnte ich notfalls auch gehen. Jeder Schritt platschte jetzt laut auf die Straße. Witziger Weise überholte ich so noch andere Läufer.

 

Bei km 38 nahm ich das letzte Gel. Hier ist im Normalfall die Einstiegstelle der Bimmelbahn, die die Nationalparkbesucher wieder zum Parkeingang zurückbringt. Jetzt hörte man auch schon die Lautsprecher aus dem Zielgelände. Eine positive Überraschung war, dass es jetzt noch einmal kräftig bergab ging. Auf rd. 2 km wurde der Höhenunterschied zw. obersten und untersten See von gut 100 Höhenmetern überwunden. Laufen fiel nun überhaupt nicht mehr schwer und ich hatte wieder Kilometerzeiten unter 5:00. Der letzte Anstieg ins Ziel war auch viel kürzer als befürchtet, gehen war überhaupt kein Thema mehr, im Gegenteil ich konnte noch einen Zielsprint ansetzen. Läufer die schon im Ziel waren feuerten kräftig an. Hier musste ich mir nicht vorstellen, dass der Applaus nur für mich ist, er war tatsächlich nur für mich, war ich doch innerhalb von 3 min der Einzige, der gerade ins Ziel kam. Felix hatte sein Rennen auch gut überstanden und stand bereits frisch geduscht an der Strecke. Er feuerte mich kräftig an und lief ein paar Meter mit. Diese Bergankunft war sozusagen mein kleines L’Alpe d’Huez.

 

Mit 4:17:59 war es so wie erwartet ca. eine halbe Stunde mehr als ich vermutlich auf einer flachen Marathonstrecke gebraucht hätte. Damit ließ ich ca. ein Drittel der Läufer hinter mir. Drittbester Österreicher wurde ich damit nicht, ich war sogar Zweiter. Meine Uhr zeigte insgesamt 630 Höhenmeter an.

 

Nachdem ich einige Liter getrunken hatte ging es wieder ins Hotel und in die Badewanne. Um 15 Uhr war Siegerehrung mit anschließender Tombola, da wollten wir dabei sein. Die Namen der Gewinner der einzelnen Rennen und Kategorien wurden zwar rasch aufgerufen, alles laut unterlegt mit Madonna in Endlosschleife, trotzdem zog es sich ewig dahin. Bei der Tombolaverlosung waren schon viele weg. Obwohl nur mitmachen konnte, wer vorher seine Startnummer abgab, musste so jeder Preis 5 bis 10 Mal gezogen werden, trotzdem gewannen wir nichts. Wenn man noch dazu nichts versteht ist das Ganze noch unnötiger. Diese Zeit hätten wir besser nutzen können. Auch das Essen machte mir keinen Spaß. Wie mir das schon lange nicht mehr nach Läufen passiert ist, schmerzten jetzt meine Mundschleimhäute, auch die Lymphknoten am Hals waren angeschwollen und so konnte ich nur lustlos auf meinem Burger herumkauen. Offensichtlich hatte ich mich doch ziemlich verausgabt.

 

Um 5 Uhr konnten wir endlich wirklich in den Nationalpark. Wir gingen eine Treppe zu den Seen hinunter und schipperten mit dem Ausflugsboot über den Kozjak, den größten der Unteren Seen, und genossen die Strahlen der Abendsonne. Über einen schmalen Pfad am Seeufer ging es wieder zurück zum Hotel.

Fazit:

  • Der Plitvice Marathon ist ein schöner Landschaftslauf.
  • Die volle Schönheit des Nationalparks kann man aber nur erfahren, wenn man sich auch Zeit für einen Parkbesuch nimmt.
  • Das Rennen ist bestens organisiert.
  • Es ist ein Berg-, aber kein Traillauf.
  • Läufer, die sich bei solchen Steigungen spielen, können es vermutlich mehr genießen als ich.